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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sie … Alle, die wir wecken können. Aber erst muss Papa noch etwas sehr Wichtiges erledigen. Hilfst du mir dabei?«
    »Wie denn?«
    »Halt mich einfach bei der Hand«, bat ich. Dann schloss ich die Augen. Breitete die Arme aus. Hielt den Atem an.
    Ich musste diese Stadt spüren. Die Steine und Mauern, die sich noch an Merlin und Artus erinnerten. Menschen können vergessen, aber Steine bewahren die Erinnerung. Die alte Burg, dieser Kranz über einer erstarrten Stadt, erinnert sich und wartet.
    Warum sind wir mitunter so dumm? Warum glauben wir, Magie müsste in etwas versteckt sein, das man in die Hand nehmen kann, wenn sie überall um uns herum sein kann?
    Natürlich hat Merlin sein Hauptwerk nicht im Zwielicht versteckt. Natürlich hat er nicht auf die Stärke des Golems vertraut. Selbst auf die Solidität von Truhen wollte er sich nicht verlassen. Seit anderthalb Jahrtausenden erhob sich diese alte Burg auf dem Felsen. Sie wurde verteidigt, eingenommen, zerstört und umgebaut. In ihr bewahrte man die Schätze der stolzen Könige Schottlands auf. Doch dort, am Grunde aller Dinge, harrten die von Merlin niedergelegten, reich mit Runen verzierten Steine ihrer Stunde.
    Man musste sich ihnen nur entgegenstrecken. Sie berühren. Spüren …
    »Lichter!«, schrie jemand hinter mir. Ich drehte mich um. Erwachte aus meiner Trance.
    Reglos standen Edgar und Arina da und sahen mich an. Verwundert registrierte ich, dass einzig Furcht in ihrem Blick lag. Gennadi floh sogar. Floh und schrie. Glaubte er etwa, die Stärke der Magie hinge von der Lautstärke seines Schreis ab? Mit riesigen Sprüngen stürzte Gennadi davon, wobei er sich im Lauf verwandelte, sodass er nach und nach alle Ähnlichkeit mit einem Menschen einbüßte. Ihm wuchsen Eckzähne, die Haut starb ab, die Haare fielen ihm in grauen Büscheln aus.
    Ich hob den Arm und sammelte Kraft für die Graue Messe.
    Doch in diesem Moment trat Nadja vor und brüllte dem Vampir ins Gesicht: »Schrei meinen Papa nicht an!«
    Gennadi geriet ins Schwanken. Das, was ihn getroffen hatte, war stärker als jeder Hass. Inzwischen konnte er nicht mehr anhalten, sondern rannte weiter, als laufe er gegen einen Hurrikan an. Dann brach er zu unseren Füßen zusammen. Quiekend versteckte Nadja sich hinter mir.
    Ich hockte mich hin und sah Gennadi in die Augen. »Kostja und Polina erwarten dich«, sagte ich. »Sie bitten dich, zu ihnen zu kommen. Jetzt gleich. Noch ist Zeit.«
    Einen Moment lang verlosch der Wahnsinn in seinem Blick. Sauschkin sah mich an. »Sie können nicht kommen?«, wollte er wissen.
    »Nein, sie können nicht kommen. Niemals hätten sie das gekonnt. Aber ich tue, worum sie mich gebeten haben. Geh, noch ist Zeit.«
    »Hilf mir, Anton«, sagte er mit fast normaler Stimme.
    »Nadja, dreh dich um!«, befahl ich.
    »Ich gucke nicht, ich gucke bestimmt nicht!«, murmelte meine Tochter, während sie sich umdrehte und sicherheitshalber noch die Hände vor die Augen presste.
    Ich hob die Hand. Wie gebannt verfolgte Gennadi meine Bewegungen. Die Graue Messe schickte den Vampir in die sechste Zwielicht-Schicht
    Während ich mich erhob, schielte ich zu Edgar und Arina hinüber. Gennadi und mich würdigten sie keines Blickes, sie hatten nur Augen für Nadja.
    »Eine Null-Andere«, brachte Arina voller Bewunderung hervor. »Eine Absolute Zauberin …«
    »Die nächsten fünf Minuten kann ich mich nicht um euch kümmern«, sagte ich, sie nicht aus den Augen lassend. »Und danach …«
    »Wir verfügen über die Minoische Sphäre«, erklärte Edgar in bittendem Ton. »Gestattest du das?«
    »Man wird euch suchen«, versicherte ich. »Ich auch, merkt euch das. Aber jetzt habt ihr fünf Minuten. Allerdings nur, weil sie mich gebeten haben zu verzeihen.«
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte Arina.
    »Das, wovon diejenigen träumen, die von uns gegangen sind. Ihnen den Tod geben. Denn ohne Tod ist keine Auferstehung möglich.«
    Edgar kniff die Augen zusammen. Dann öffnete er ein Gürteltäschchen, dem er eine kleine beinerne Kugel entnahm, die er Arina entgegenstreckte. Schweigend nahm sie sie an sich.
    »Hilf auch mir, Lichter«, bat er. »Das kostet dich doch nichts …«
    »Du bist mit Schutzzaubern behangen wie ein Weihnachtsbaum mit Lametta. Wie soll ich dir da helfen?«
    »Ich werde ihm helfen«, mischte sich Arina plötzlich ein. »Und du lass dich nicht aufhalten. Tu, was du tun musst.«
    Was genau sie machte, begriff ich nicht. Es sah so aus, als bewege sie lediglich die

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