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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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weiter, Mister Lermont?«
    »Kannst du das denn?«
    »Ich werde es versuchen.«
    Zweifelnd schüttelte Lermont den Kopf. »Ihr kommt nicht weiter mit«, meinte er, indem er zu seinen Schützlingen hinüberschielte. »Ich habe euch hierhergeschleift wegen … des Monsters. Aber hier endet die Reise für euch. Wartet so lange hier, wie ihr könnt, dann geht zurück.«
    Er seufzte tief – und löste sich in Luft auf.
    Ich machte einen Schritt nach vorn.
    Nichts.
    Noch einen. Und noch einen. Und noch einen.
    »Klappt es nicht?«, fragte Semjon voller Anteilnahme.
    Was soll’s, immerhin hatte ich es bis in die fünfte Schicht geschafft, hier war alles ruhig – aber noch tiefer konnte ich nicht!
    Ein Schritt. Noch ein Schritt. Wo war mein Schatten?
    »Anton …« Semjon schüttelte mich an der Schulter. »Bleib stehen, Anton. Du vergeudest bloß deine Kraft.«
    »Ich gehe«, flüsterte ich. »Ich muss …«
    »Gar nichts musst du. Lermont ist erfahrener. Er schafft das allein.«
    Ich schüttelte den Kopf. Versuchte, mich zu entspannen. Hierher war ich voller Zorn gekommen. Vielleicht musste ich nun auf Gelassenheit vertrauen? Vor mir lag lediglich eine Wasserscheide. Der schmale Film der Oberflächenspannung zwischen den Welten, eine Grenze, hinter der offenbar die Lebenskraft zu wachsen anfing. Die erste Schicht war praktisch tot, verdorrt, unfruchtbar. Die zweite bereits etwas lebendiger. Die dritte und die vierte ließen unsere Welt erahnen. Die fünfte … In der fünften konnte man beinah leben. Hier gab es Farben, hier war es kalt, aber nicht so sehr, dass man fror, hier wuchs Gras, regnete es, tobten seltsame Gewitter. Was würde mich in der sechsten erwarten? Ich musste mir vergegenwärtigen, wohin ich aufbrach. In eine Welt, die Eis atmete, die tot und verloren war? In der man nur mit Mühe atmen konnte, schleppend ging und stockend sprach?
    Nein. So würde die sechste Schicht nicht sein. Sie würde noch heller sein als die fünfte. Noch lebendiger. Noch näher an der echten Welt dran.
    Ich nickte meinen Gedanken zu.
    Und trat aus der fünften Schicht in die sechste.
    Hier herrschte Nacht. Vielleicht keine sommerliche, aber eine warme. Am Himmel erblickte ich keinen einzigen Stern, aber immerhin prangte dort der Mond. Hier zog sich kein grauer Streifen über den Himmel wie in der ersten Schicht. Hier leuchteten nicht die drei winzigen farbigen Monde aus der zweiten Schicht. Hier strahlte ein ganz normaler Mond, wie ihn der menschliche Blick kannte.
    Aber kein einziger Stern. Denn Sterne sind nichts für Andere.
    Im weißen Schein des Mondes wirkte die Welt fast real. Echte, lebende Bäume, mit Blättern an den Ästen, die im Wind raschelten. Es roch nach Gras und nach Feuer … Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich zum ersten Mal im Zwielicht einen Geruch wahrnahm. Vermutlich würde ich, wenn ich das Gras kaute, auch den bitteren Geschmack seines Saftes schmecken.
    Es roch nach Feuer?
    Ich drehte mich um – und sah Lermont. Der jedoch kein dicklicher älterer Herr mehr war, sondern in seiner Zwielicht-Gestalt vor mir stand.
    Thomas Rhymer war ein weißhäutiger Riese von etwa drei Metern. Seine Haut strahlte ein trübes milchiges Licht aus. Er fing Klumpen weißen und bläulichen Feuers aus der Luft, presste sie allesamt in seinen riesigen Händen zusammen, gleichsam als forme er Schneebälle, und warf sie weit weg. Ich verfolgte die Flugbahn: Die zischenden Flammenknäuel schossen über die Ebene dahin, machten die wenigen Bäume dem Erdboden gleich und verloschen in einer dunklen, sich entfernenden Wolke. Die brennenden Bäume deuteten auf Fehlwürfe hin.
    »Foma!«, schrie ich. »Hier bin ich!«
    Der Riese formte in seinen Händen einen weiteren großen Ball. Grunzend warf er ihn der dunklen Wolke hinterher. Dann drehte er sich um.
    Sein Gesicht war frappierend. Zugleich uralt und blutjung, gut und hart, schön und furchterregend.
    »Der junge Magier hat die Barriere überwunden«, dröhnte Thomas. »Der junge Magier ist mir zu Hilfe geeilt …«
    Er war jetzt nicht ganz bei sich – wie alle Anderen, die im Kampfeseifer die Gestalt der tiefen Zwielicht-Schichten annehmen.
    Mit wenigen Schritten überwand Thomas die Strecke, die zwischen uns lag. Mir kam es so vor, als erzittere unter seinen Schritten sogar die Erde.
    »Sie haben es nicht geschafft, mein Freund …« Der alte Barde legte mir eine schaufelgroße Hand auf die Schulter. »Sie sind nur bis zur sechsten Schicht gekommen. Thomas hat sie

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