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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Popanz aus. Zur Antwort gab es weitere Schüsse. In immer demselben präzisen, mechanischen Rhythmus …
    »Lermont, das ist ein Roboter!«, platzte ich heraus. »Das ist genauso ein Roboter wie der, der auf mich geschossen hat, Lermont!«
    »Ja und? Gegen leichte Zauber ist er immun. Sollen wir ihn mit Fireballs beschießen, ein Feuer anzünden und die Brücke über uns zum Einsturz bringen?«
    O nein, Thomas Rhymer geriet weder in Panik noch fiel er der Verzweiflung anheim. Ohne Frage versuchte er, sich etwas einfallen zu lassen. Vermutlich hatte er sogar irgendeinen Plan. Nur wollte ich nicht noch länger warten …
    Aus dem Portal, das nach wie vor in der Luft hing, trat Semjon heraus. Sofort ging er in die Hocke und watschelte auf die Barrikade zu. Eben! Bisweilen nützt Erfahrung mehr als Kraft …
    Irgendwo in der Ferne, hinter den Mauern und Türen, ließ sich ein Schrei vernehmen. Der markerschütternde Schrei eines Menschen, der am höchsten Ton abriss.
    Und manchmal nützt Wut mehr als Erfahrung.
    Ich glitt ins Zwielicht.
    In die erste Schicht. Die Dekoration schien Realität zu werden. Die Mauern aus Gipskarton und Plastik versteinerten, unter meinen Füßen raschelten trockene Halme. Wahrscheinlich hatte die menschliche Phantasie diese Räume im Zwielicht geschaffen, denn zu viele Menschen kamen hierher, die die Regeln des Spiels für voll nahmen und sich zwangen, an diese Verliese zu glauben.
    An die Verliese und die Drachen.
    Ein kleiner Drache mit aufgestellten roten Schuppen passte in einem steinernen Bogen auf und versperrte mir den Durchgang. Er reichte mir bis zur Schulter, stand auf zwei Pfoten und hatte einen langen, wie einen Korkenzieher gedrehten Schwanz. Nervös schlugen die Flügel mit Flughäuten in seinem Rücken zusammen. Die funkelnden Facettenaugen starrten mich an, das Maul öffnete sich – und stieß eine Flammenwolke aus.
    So siehst du also im Zwielicht aus, Schütze I …
    Ich sprang zur Wand hin und beschoss den Drachen mit einem Fireball. Einem ganz kleinen nur, um in der realen Welt keine Erschütterungen zu erzeugen.
    Dann verschwand ich in die zweite Schicht.
    Die Verliese hatten sich nicht verändert. Dafür war der Drache hier schwarz und etwas größer. Seine nunmehr gerundeten Augen waren dunkel, außerdem hatte er aufragende Ohren. Der Schuppenpanzer war zu einem starren Fell oder zu eng am Körper anliegenden Chitinnadeln mutiert. Das Maul hatte sich nach vorn verlängert. Die Flügel waren zu kleinen zuckenden Pfoten geworden. So dürfte meiner Meinung nach ein Zwitterwesen zwischen dem großohrigen Phantasiewesen Tscheburaschka und dem Krokodil Gena aussehen, wie ich sie aus Nadjuschkas Zeichentrickfilmen kannte.
    Das Maul öffnete sich, ein Bündel blauer Funken schlug mir entgegen.
    Ausweichend machte ich ein paar Schritte. Und wollte – die Barriere erneut vergessend – in die dritte Schicht des Zwielichts eintreten.
    Kurz glaubte ich gegen eine Wand zu laufen, eine elastische, federnde, aber undurchdringliche Wand. Doch dieser Eindruck verflüchtigte sich in Sekundenschnelle.
    Und schon im nächsten Moment fand ich mich in der dritten Schicht wieder.
    Wo ich sofort verstand, was es mit dem menschlichen Todesschrei auf sich hatte.
    Jemand hatte die Barriere erneut geöffnet. Mit dem frischen Blut von einem Menschen.
    Dafür gab es den Drachen hier nicht …
    Ich rannte den Gang entlang, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, den schießenden Roboter auszuschalten. Lermont würde schon selbst mit ihm fertig werden. Keine Frage. Mir kam es jetzt einzig und allein darauf an, den Mörder zu fassen. Wer auch immer er sein mochte: ein Vampir, ein Magier oder Zauberkundiger. Ein Unbekannter- oder ein ehemaliger Freund.
    Anscheinend handelte es sich hier um den Mittelpunkt der Verliese. Wo sich die Kraft konzentrierte, das Zentrum des Trichters befand, das Schlüsselloch. Es war derselbe Blutfluss, nur wirkte er hier wie ein Graben, in dem ein pechdicker schwarzer Brei Blasen warf. Ein funkelnder schwarzer Tisch. Auf dem ein regloser Körper in einem blutgetränkten weißen Kittel lag.
    Anscheinend musste diesmal einer der Menschen sein Leben lassen, die die Edinburgher Nachtwache angeheuert hatte. Einer der Pathologen oder sonstigen Experten, die für Lermont arbeiteten.
    Hatte Lermont in den Verliesen etwa keine zuverlässigen Wachtposten aufgestellt? Hatte er keinen Hinterhalt für die Attentäter geplant? Hatte er die Menschen, die ihm vertrauten, der

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