Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Bedürfnis, sich auszusprechen, fühlten, ging es lebhaft her. Jeder, der um dasselbe Herumsitzenden hatte notwendig, seine Taten zu erzählen und seine Ansicht auszusprechen. Alle waren der freudigen Meinung, daß von den Wilden nichts zu befürchten sei. Die Zahl der erbeuteten Skalpe war eine ansehnliche, das Abenteuer siegreich bestanden, und keine der Wunden zeigte eine gefährliche Beschaffenheit. Zudem schien unser Aufenthaltsort ein vollständig sicherer zu sein; für Proviant und Munition war reichlich gesorgt, und so konnten die Feinde den Eingang belagern, so lange es ihnen gefiel, oder sich die Köpfe an den ringsum starrenden Felsen einrennen.
    Auch Old Firehand teilte diese Ansicht, und nur Winnetou schien ihr nicht beizustimmen. Er lag abseits von den anderen in der Nähe seines Pferdes und schien in tiefe, ernste Gedanken versunken.
    „Das Auge meines roten Freundes blickt finster, und seine Stirn trägt die Falten der Sorge. Welche Gedanken wohnen in seinem Herzen?“ fragte ich, zu ihm tretend.
    „Der Häuptling der Apachen sieht den Tod durch die Pforte dringen und das Verderben von den Bergen steigen. Es flammt das Tal von der Glut des Feuers, und das Wasser ist rot vom Blut der Erschlagenen. Winnetou spricht mit dem großen Geist. Das Auge der Bleichgesichter ist blind geworden vom Haß, und ihre Klugheit ist den Gefühlen der Rache gewichen. Parranoh wird kommen und nehmen die Skalpe der Jäger; aber Winnetou ist gegürtet zum Kampf und wird anstimmen den Totengesang auf den Leichen seiner Feinde.“
    „Wie soll der Ogellallah betreten das Lager unserer Jäger? Er vermag nicht, durch das Tor zu dringen.“
    „Mein weißer Bruder spricht Worte, aber er glaubt ihnen nicht. Vermag eine Büchse aufzuhalten die Zahl der roten Männer, wenn sie durch die Enge brechen?“
    Er hatte recht. Gegen eine geringe Anzahl Feinde konnte es wohl einem einzigen glücken, den Paß zu verteidigen, nicht aber gegen eine so bedeutende Horde, wie sie uns gegenüberstand; denn wenn auch nur stets eine Person einzudringen vermochte, so stand ihr doch eben auch nur einer entgegen, und wenn die hintersten nachdrängten, so konnten wohl einige der vorderen getötet, nicht aber das Eindringen der übrigen verhütet werden.
    Ich hatte das Old Firehand gesagt, er aber mir geantwortet:
    „Und wenn sie es wagen, so wird es uns leicht sein, sie nacheinander auszulöschen, sowie sie durch die Schlucht kommen.“
    Das klang wahr, und ich mußte mich zufrieden geben, obgleich ich wußte, daß der kleinste Umstand hinreichend sein konnte, diese Wahrheit zuschanden zu machen.
    Als der Abend hereinbrach, wurde die Wachsamkeit natürlich verdoppelt, und trotzdem ich auf meinen ausdrücklichen Wunsch erst zur Zeit des Morgengrauens Posten zu stehen hatte, zu welcher Zeit die Indsmen am liebsten ihre Überfälle vornehmen, so ließ es mir doch nirgends Ruhe, und ich hielt mich für alle Fälle bereit.
    Die Nacht lag still und ruhig über dem Tal, in dessen Vordergrund das Feuer brannte und sein zitterndes Licht über die Umgebung warf. Swallow, welcher sich in dem von Bergen umschlossenen Raum frei bewegen durfte, weidete im dunklen Hintergrund des Kessels; ich ging, nach ihm zu sehen, und fand ihn ganz am Rand der steilansteigenden Höhen. Nachdem ich mit ihm die gewöhnlichen Liebkosungen gewechselt, wollte ich mich eben wieder entfernten, als ein leises Gepolter mich lauschen machte.
    Auch das Pferd hob den Kopf in die Höhe; aber da der kleinste Atemzug unsere Gegenwart verraten konnte, so ergriff ich es beim Riemen und deckte die Hand auf die sich unter dem Verdacht schon erweiternden Nüstern. Während wir von oben herab nicht leicht bemerkt werden konnten, war es mir möglich, von unten hinauf gegen den lichten Himmel jeden Gegenstand zu erkennen, und mit angestrengtem Auge suchte ich nach der Ursache, welche den herabgefallenen Stein von seinem Ort gelöst hatte.
    In den ersten Augenblicken nach dem Fall des Steins war nichts Auffallendes zu bemerken. Jedenfalls hatte man das von dem Stein verursachte Geräusch ebenso gut bemerkt, wie ich, und wartete nun eine Weile, um sich zu überzeugen, daß dasselbe nicht gehört oder beachtet werde.
    Diese Ansicht war eine richtige, denn nachdem ich mich eine Zeitlang ruhig verhalten hatte, sah ich zuerst mehrere Gestalten, welche sich von dem dunklen Felsen lösten und nach unten lugten; bald aber gewahrte ich eine ganze Reihe Indianer, welche einer hinter dem anderen über den Kamm

Weitere Kostenlose Bücher