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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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hier in dieser stickigen, überfüllten U-Bahn, statt in ihrem Mutterhaus zu bleiben, wo ihr Platz war? Sie bemühte sich, ihre Übelkeit so gut es ging zu verbergen, doch trotzdem schien ihre Begleiterin, Schwester Bernadette, sie zu bemerken.
    » Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte die vierzig Jahre jüngere Nonne und beugte sich vor, um Xaveria ins Gesicht zu blicken. » Sie sind ziemlich blass um die Nase!«
    Xaveria konnte sich in den Augen der anderen Frau spiegeln. Sie lächelte mühsam. » Es ist nur die Luft hier unten«, versuchte sie Schwester Bernadette zu beruhigen. » Sobald wir zurück ans Tageslicht kommen, wird es bestimmt gleich besser werden.« Im Stillen bat sie Gott um Vergebung für diese kleine Lüge, denn nicht die stickige, von Abgasen und Ölgeruch geschwängerte Luft in der U-Bahn war der Anlass dafür, dass Xaverias Magen sich bemerkbar machte. Es war die Aufregung. Die Aufregung darüber, dass sie nach zwölf Jahren ihr Mutterhaus in Trier zum ersten Mal wieder verlassen hatte. Und das auch noch für eine derartig spannende Reise.
    Morgen würde sie den Papst sehen!
    Wenn das kein Grund war, Schmetterlinge im Bauch zu haben, dann gäbe es wohl nichts mehr auf der Welt, das sie berührte, dachte Xaveria.
    Schwester Bernadette nickte und warf zum bestimmt hundertsten Mal einen Blick auf den U-Bahn-Plan, den ihr ein fürsorglicher Mitarbeiter an der Hotelrezeption in die Hand gedrückt hatte. » An der nächsten Station müssen wir aussteigen«, sagte sie. » Dort treffen wir die anderen und müssen dann in die U2.« Auf ihrem Gesicht hatten sich hektische Flecken gebildet, und Xaveria erkannte, dass auch ihre jüngere Mitschwester nervös war. Sie hatten geplant, an einem der unzähligen Frühgottesdienste teilzunehmen, die heute überall zwischen acht und neun Uhr stattfanden. Danach wollten sie sich den Olympiapark und ein paar Sehenswürdigkeiten ansehen. Wie ganz gewöhnliche Touristen würden sie sich einen schönen Tag in Berlin machen.
    Die U-Bahn ruckelte. Dann, mitten in dem pechschwarzen Tunnel, hielt sie plötzlich an. Ein Graffito fiel Xaveria ins Auge, ein verschlungenes grafisches Gebilde, das sie nicht entziffern konnte. Das Licht im Inneren der Bahn riss es aus der ewigen Finsternis, und spontan stellte Xaveria sich die Frage, wer wohl in diese dunklen Tiefen des Berliner Untergrunds hinabstieg, um die Wände zu verzieren.
    Andere Mitfahrer hegten offenbar weitaus düsterere Gedanken. » Hoffentlich keine Bombendrohung!«, sagte ein junger Mann neben Xaveria. » Dann kann es nämlich dauern, bis wir weiterfahren können.« Aber bevor sie etwas darauf erwidern konnte, fuhr die Bahn bereits weiter.
    Der junge Mann wirkte erleichtert.
    Schwester Bernadette tastete nach dem fingerdicken Leuchtstab, den sie sich vorhin bei einem Souvenirhändler gekauft hatte und den sie morgen beim Papstgottesdienst in die Höhe recken wollte. An einem regenbogenfarbenen Band hing er um ihren Hals, und sie spielte nervös damit.
    Xaveria griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. » Wenn wir wieder zu Hause sind, werde ich das Mutterhaus im Leben nicht mehr verlassen!«, behauptete sie.
    Schwester Bernadette schwieg respektvoll.
    Ein weiteres Mal strich Xaveria über den Handrücken der jüngeren Nonne, dann ließ sie sie los. » Ich meine: der Papst! Was gibt es denn danach noch zu erleben für eine alte Nonne wie mich?«
    Schwester Bernadette lachte. » Was Sie immer reden! Dabei werden Sie wahrscheinlich den halben Konvent überleben, so fit, wie Sie sind.«
    Xaveria war drauf und dran, ihr zu erzählen, wie sehr ihr Rücken schmerzte nach den zwei Nächten, die sie jetzt in diesem elend weichen Hotelbett geschlafen hatte. Aber sie entschied sich dagegen. Sie würde das für sich behalten. Dass ihr Herz schon vor ein paar Wochen angefangen hatte zu stolpern, hatte sie– außer ihrem Beichtvater– auch niemandem erzählt.
    Weil es unwichtig war.
    Gott in seiner unendlichen Weisheit würde entscheiden, wann er sie zu sich rief. Das Einzige, um das Xaveria ihn inständig bat, war, dass sie die kommenden knapp anderthalb Tage überstand. Morgen im Stadion würde sie versuchen, einen Platz in den vordersten Reihen zu erhaschen. Vielleicht konnte sie dem Papst am Ende ja sogar die Hand schütteln! Danach würde sie getrost und freudig vor ihren Schöpfer treten, wann immer er dies für richtig hielt.
    Sie ertappte sich dabei, dass sie lächelte.
    Die U-Bahn verzögerte merklich ihre Geschwindigkeit

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