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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timm Kruse
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einen Hungerstreik. Am 22. Tag brach er das Fasten aufgrund eines Einlenkens von Premierminister Georges Pompidou ab, aber erst auf Androhung eines erneuten Hungerstreiks zwei Jahre später kam es zum Nachgeben der Regierung und schließlich im Dezember 1963 zum Erlass eines Gesetzes und zur Freilassung der inhaftierten Verweigerer.
Aus: wikipedia.de
    Zweiundzwanzigster Tag, 22. September
    82,6 KILOGRAMM
    Wieder liege ich mitten in der Nacht wach. Ich schlafe nie mehr als drei Stunden am Stück. Offenbar braucht mein Körper nicht mehr Schlaf. Ohne Verdauung und mit verringerter Hirnaktivität ist der Körper kaum gefordert.
    Was wären wir ohne Internet? Ich vertreibe mir die durchwachte Nacht mit Surfen. Monsieur Lecoin würde heute belächelt werden. 22 Tage fastet doch heutzutage jede zweite Hausfrau mit Hang zur Esoterik. Dass der Kerl 82 Jahre alt geworden ist, möchte ich als Zeichen deuten, dass Fasten tatsächlich gesund ist.
    Gestern traf ich mich mit ein paar Bekannten, um endlich mal wieder soziale Kontakte zu pflegen. Ich werde das nie wieder tun. Die Gespräche drehten sich ausschließlich um mein Fasten und den angeblich damit verbundenen Irrsinn. Ich konfrontiere die Menschen in meinem Umfeld mit ihrer Urangst: zu verhungern. Allein der Gedanke, einen Tag lang nichts zu essen, löst Panik aus. Fasten ist nicht Askese, es ist kein Kasteien des Körpers und erst recht kein Hungern. Fasten ist einfach nur eine Möglichkeit, den Körper zu entgiften, ein bisschen klarer zu werden und offenbar auch sein Umfeld mit bisher unhinterfragten Glaubensmustern zu konfrontieren.
    Jetzt, nach mehr als drei Wochen, scheint sich meine Theorie langsam zu bestätigen: Beim Fasten gibt man dem Urbedürfnis nach Nahrung nicht nach. Wenn dies gelingt, wird es in Zukunft auch leichter sein, Bedürfnissen wie Rauchen, Saufen oder sogar Fremdgehen nicht mehr nachzugeben. Wenn ich dem Unterbewusstsein das Nichtessen abverlange, wird es von anderen Bedürfnissen, gerade von nicht lebensnotwendigen, erst recht ablassen. Fasten ist somit auch eine Erziehungsmaßnahme für das Ego.
    Vor dem Fasten hatte ich manchmal Angst, einen ganzen Tag mit mir allein zu sein. Ich habe dann immer etwas unternommen, um mich nicht mit mir auseinanderzusetzen. Jetzt freue ich mich auf jede Minute mit mir. Ich habe sogar Angst, nach dem Fasten wieder rückfällig zu werden: regelmäßig zu arbeiten, mich mit Menschen zu treffen, die mir nichts bedeuten, wieder maßlos zu sein, die innere Ruhe zu verlieren, Zeit mit Einkaufen, Kaffeetrinken und – Essen zu vertrödeln.
    Das Fasten zeigt mir, wie einfach das Leben sein kann. Dieses Gefühl des Einfachen gibt mir Ruhe und Kraft. Bedürfnislosigkeit, kein Müssen, kein Wollen, kein Brauchen. Die totale Unabhängigkeit.
    Ich bin seit Tagen bei 83 Kilogramm stehen geblieben. Komisch. Kann der Geist den Körper so weit beeinflussen? Ich wollte ja nicht mehr abnehmen.
    Wir klagen immer, wir hätten keine Zeit. Aber wollen wir denn wirklich mehr Zeit haben? Was machen wir mit der gewonnenen Zeit? Wir müssten uns früher oder später mit uns selbst beschäftigen. Ich habe im Moment viel mehr Zeit, als mir lieb ist.
    Wohin mit der Zeit? Ich gehe die verbleibenden Wochen im Kopf durch. Diese Woche noch durchhalten, dann findet die Party meines jüngeren Bruders statt. Das Highlight meines Darbens – die herausragende Belastungsprobe für mein Fastenprojekt. Kein Mensch fährt so üppig auf wie mein Bruder, besorgt so leckeres Zeug. Und keiner grillt so gut. Außerdem werde ich immer nur schwer damit fertig, wenn es etwas umsonst gibt und ich nichts davon abbekomme.
    Es ist früher Nachmittag, und ich überlege ernsthaft, das Fasten abzubrechen. Seit ein paar Stunden fühle ich mich schwach und ausgelaugt. Auch ein besorgter Kollege meinte, ich würde schlecht aussehen. Nein, »kaputt« sagte er. Aber das sagen meine Kollegen schon seit Wochen.
    Dann jammere ich ein bisschen Gabi voll. »Jetzt hast du dich – und mich! – schon so lange gequält. Dann wäre es doch schade, jetzt abzubrechen.« Sie hat wie immer recht. Wenn man anfinge, sich zu quälen, könne man sich auch bis zum Schluss quälen. Außerdem fange doch jetzt erst die interessante Phase an. Drei Wochen packe jeder, jetzt würde es ernst!
    Aus purer Langeweile habe ich mir Lillys Wollmütze übergezogen, eine alte Sonnenbrille aufgesetzt und einen filzigen Karnevalsbart aufs Kinn geklebt, mich lumpenbekleidet in der Fußgängerzone

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