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40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte

Titel: 40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timm Kruse
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bleiben noch zwölf Tage. Pro Tag 400 Gramm. Wenn ich meine Aktivitäten noch weiter einschränke, dürfte ich die 77 Kilogramm nicht unterschreiten. Ich sollte nur noch dasitzen und meditieren. Alles andere ist eh Flucht.
    Leben hat auch mit Sinnesfreuden zu tun. Die körperlose Seele weiß nicht, wie eine Grillparty riecht. Aber ich rieche sie. Die Grillparty bei meinem jüngeren Bruder. Die größte anzunehmende Versuchung. Es gibt alles, was Gott dem Menschen an Gaumenfreuden geschenkt hat. Fischsuppe, Rind, Lamm, Schwein vom Grill, Rosmarinkartoffeln, Pasta in allen Formen, überbackenes Gemüse, eingelegte Peperoni, die besten Käsesorten der Welt, Süßigkeiten aller Art und wunderbaren Kaffee. Ich stehe da, tue galant und gut gelaunt und erzähle allen, wie toll es sei, zu fasten und unabhängig zu sein. Witzigerweise fastet meine Exschwägerin auch gerade, sodass wir uns gegenseitig immer mehr in unsere Fastenlüge hineinsteigern können. Wir lügen uns ganze Schweinehälften in die Tasche.
    Fasten ist bekloppt, qualvoll, unwürdig.
    Gegen Mitternacht stehe ich draußen am Grill, wende faserige Teile eines toten Schweins und wärme mich bei fünf Grad an der Glut. Ich muss mich nicht unterhalten, da alle drin hocken, sich besaufen und rauchen.
    Jetzt liege ich allein im Bett, leide unter Halsschmerzen und Kopfweh. Ich habe zwar bis halb eins durchgehalten, aber auch nur deshalb, weil ich ja allen beweisen musste, dass man auch als Fastender Spaß haben kann.
    Erfreut stellte ich aber fest, dass auf der Party mal wieder ein paar Leute waren, die auch mithilfe von Alkohol keinen Spaß haben können, und fühlte mich ihnen sehr überlegen.
    Jetzt habe ich Schluckauf. Wahrscheinlich hat mein Unterbewusstsein die ganze Zeit mitgegessen und verdaut nun.
    Eigentlich hätte ich da gar nicht hingehen sollen. Aber das wäre meinem Bruder gegenüber unfair gewesen. Außerdem war es schön, alle Jungs von früher wiederzusehen. Am besten war, dass mir keiner von denen einen Vortrag gehalten hat, wie gefährlich mein Fasten sei. Das war schon immer das Schöne damals in Detmold. Wir haben uns nicht viel Gedanken über andere gemacht. Jeder ist, wie er ist. Und das ist heute noch so.
    Früher war alles so unkompliziert: Wir riefen uns an, holten uns für 20 Mark Kippen, eine Kiste Bier und Brötchen mit Wurst, setzten uns auf eine Parkbank oder in die Natur und redeten über Wichtiges, glaube ich. Irgendwann ging die Sonne auf, wir waren glücklich, der Kassettenrekorder leer, die Zukunft war jetzt, und die Welt hat nur auf uns gewartet.
    Zwanzig Jahre später bin ich der Einzige, der immer noch das Gewicht von damals hat – zumindest vorübergehend. Sonst hat sich nicht viel geändert. Es wird immer noch gesoffen, als gäbe es kein Morgen, gesessen und geredet, bis die Sonne aufgeht. Nur die Ziele haben sich in Luft aufgelöst. Fast alle haben Job und Kleinfamilie. Jetzt wird die Zeit abgesessen, bis die Kinder groß sind, die Pensionierung kommt und wir uns wieder anrufen, uns auf eine Parkbank oder in die Natur setzen und über Wichtiges reden können. Oder auch nicht. Nur das Morgengrauen erleben wir dann seltener.

Achtundzwanzigster Tag, 28. September
I’m piled up high, the morning light.
A giant silver screen.
I’m waiting for my mind to land.
Cause everything’s unreal.
FASTEN SEAT BELT (Musikgruppe)
    Achtundzwanzigster Tag, 28. September
    82,1 KILOGRAMM
    Das Salz in der Gemüsebrühe. Unglaublich, was das an Gewicht ausmacht. Aber die Zahl 82,1 macht sich sehr gut auf der Waage. Jetzt sind es wieder fünf Kilo, die mich vom Untergewicht trennen. Das wird Gabi beruhigen. Schließlich war es ja auch ihre Suppe.
    Wer bin ich? Zwei Quadratmeter Haut.
    Es ist neun Uhr abends, und ich liege vollkommen erschöpft im Bett, bin aber trotzdem hellwach. Die Beats unseres Trommelauftritts wummern immer noch durch meinen Körper. Wir haben vor mehr als tausend Menschen auf der Landesgartenschau in Schleswig gespielt. Es war atemberaubend. Der erste schöne Tag seit Langem. Scharen von Reihenhausbesitzern waren zur Abschlussveranstaltung dieser Blumenausstellung geströmt.
    Einige Bekannte wollten wissen, ob mit mir alles okay sei. Ich erzählte nichts vom Fasten, nuschelte etwas von Nervosität vor dem Auftritt. Ich will mir keine Belehrungen mehr anhören müssen.
    Nervös war ich tatsächlich. Aber ein erfahrener Percussionist hat mir mal erzählt, dass er seine Instrumente vor dem Auftritt immer streichelt. Das

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