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41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

Titel: 41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Ferr
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Worte den Nagel auf den Kopf, was seinem Ruf als Ermittlungsleiter durchaus ernsthaften Schaden zufügen konnte. Dass sie ihn von Anfang an durchschaut hatte, machte seine Lage auch nicht besser. Andererseits war sie ehrlich, ließ sich auf kein Katz-und-Maus-Spiel ein und nahm sich kein Blatt vor den Mund. Momentan hatte er eindeutig die schlechteren Karten, er musste die Richtung ändern und das schnell, bevor sie ihn hinauswarf.
    „Werden Sie mir helfen, Madame?“
    „Wenn Sie offen zu mir sind und wenn es mir möglich ist.“ Ihr Gesichtsausdruck war völlig entspannt, sie war nicht verärgert, aber auch nicht sonderlich interessiert.
    Marcel entschied sich, die unvermeidlichen Fragen sofort zu stellen.
    „Besitzen Sie ein Handy, einen Computer, einen Kalender oder sonst irgendetwas, um Namen oder Termine zu notieren? Dürfte ich sie sehen? Auch ohne richterlichen Beschluss? Ich versichere Ihnen, dass ich nichts ohne Ihr Einverständnis verwenden werde und alles höchst vertraulich behandle.“
    „Das glaube ich Ihnen sogar. Aber ich führe weder Tagebuch noch Kalender, verwende zur Kontaktpflege ausschließlich mein altes Telefon im Flur und speichere sämtliche Daten auf meiner internen Festplatte. Das hält geistig rege und hinterlässt keine verräterischen Spuren.“ Dabei tippte sie sich mit ihrem Zeigefinger an die Stirn. Seine Ungläubigkeit war nicht zu übersehen, Louise tat er jetzt beinahe leid.
    „Wie organisieren Sie dann Ihr Leben?“, versuchte er es noch einmal.
    „Wie ich es die letzten vierundvierzig Jahre auch schon organisiert habe: Mit meinen grauen Zellen. Glauben Sie mir, so viel ist es gar nicht, was ich mir zu merken habe. Ich wäre in meinem Geschäft nicht so erfolgreich, hätte ich Aufzeichnungen von Telefonnummern oder Namen. Ich neige weder zu Erpressung noch zu infamen Anrufen bei Ehefrauen. Meine Verabredungen finden nach persönlicher Absprache statt, es gibt vereinbarte Zeiten, nur in Notfällen werde ich von meinen Gefährten über das Telefon kontaktiert. Das vermittelt ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Sie müssen keine Angst haben vor Schlammschlachten oder skandalösen Enthüllungen in den Medien, sie wissen seit Jahrzehnten, dass sie mir zu hundert Prozent vertrauen können. Dieses Wissen und Vertrauen geben sie über Mundpropaganda weiter, da sie es heute im horizontalen Gewerbe nirgends sonst finden. Sie besuchen mich verlässlich und gerne, sie sind entspannt und das macht sie spendabel und großzügig. Davon profitiere ich enorm und lebe in persönlicher Freiheit. Zeigen Sie mir eine Nutte in Paris, die es sich leisten kann, alle drei Monate für zwei Wochen Urlaub zu machen. Zeigen Sie mir eine Nutte in Paris, die in meinem Alter noch gefragt ist. Zeigen Sie mir eine Nutte in Paris mit meiner Eleganz und meinem Stil. Zeigen Sie mir eine Nutte in Paris, die sich mit mir messen kann.“
    Marcel hatte nicht nur zugehört, er hatte jeden Satz ihres Vortrages förmlich in sich aufgesogen. Seine Arbeit bedingte, dass er schon Vieles gesehen und erlebt hatte. Louise war eine verwirrende Premiere.
    „Nehmen Sie sich noch ein Brötchen. Ich bringe Ihnen ein Glas Wasser, ein dritter Cognac würde Ihrem Dienstwagen nicht bekommen.“ Louise läutete damit das Ende ihrer Konversation ein.
    In Gedanken war sie bereits bei Farbmischungen und Glasurvorbereitungen, an ihren Ausführungen hatte er fürs Erste ein Weilchen zu knabbern und sie hoffte, dass er seinen Besuch nach dem Beweis ihrer schonungslosen Ehrlichkeit nicht unnötig hinauszögern würde. Wäre sie nicht mit ihrer Arbeit in Verzug, hätte sie seine Gesellschaft sogar als angenehm empfunden. Vielleicht ein andermal, dachte sie, als sie ihm das Wasserglas reichte.
    Er nickte zum Dank.
    „Madame, ich bin beeindruckt und auch ein bisschen irritiert. Darf ich Sie wieder besuchen? Auch wenn es nicht mit dem Fall zu tun hat?“ Er klang nicht bittend, eher anerkennend, mit einem Schuss Erstaunen, vielleicht eine Spur zu fordernd. „Nennen Sie mich Louise. Rufen Sie aber vorher an. In einer Woche reise ich nach Frankfurt. Kommen Sie gut nach Hause.“
    Marcel hatte sein Glas nicht ausgetrunken und sein Brötchen würde er im Gehen zu Ende essen müssen. Die Unterhaltung war unwiderruflich beendet. Es hatte keinen Sinn, sie weiter zu bedrängen, sie würde nichts mehr preisgeben. Sie würde sich auch nicht unter Druck setzen oder überreden lassen. Er würde wieder kommen. Bald. Denn von seinem Wunsch, ihre Hand an

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