Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

Titel: 41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Ferr
Vom Netzwerk:
Louise sein oder noch älter! Ist ihrem Gedächtnis zu trauen? Was hat sie wann genau gesehen? Wo soll denn dieser grässliche Kindesmord stattgefunden haben?“
    Hendrik schoss seine Fragen zischend und mit zusammengezogenen Augenbrauen wie ein engagierter Verteidiger bei seinem Schlussplädoyer ab.
    Marcel war überrascht über die Kraft in Hendriks Stimme, seine plötzliche Energie und seinen bemerkenswerten Scharfsinn.
    „Kein seniler Tattergreis“, dachte er anerkennend und das gab den Ausschlag dafür, dass er Hendrik nicht mehr vor der Wahrheit abschirmen wollte.
    „Sie soll ihr Kind im Hafen am Kai geboren und dann ins Meer geworfen haben. Sie wurde blutend von der alten Rädelsführerin der Prostituierten des Hafenviertels gefunden, halbwegs gesund gepflegt und mit einem Lastwagen nach Paris geschickt. Den Damen war sie mit ihrer Schönheit ein Dorn im Auge und sie fürchteten um ihr Geschäft.“
    Hendrik hatte seine Ellbogen auf den Tisch gestützt, seine Wangen in die Hände gelegt und aufmerksam zugehört.
    „Wann soll das alles gewesen sein?“, fragte er rau.
    „Nun, sie kam mit ungefähr sechzehn Jahren nach Paris, also muss es kurz davor passiert sein. Vor vierundvierzig Jahren, um genau zu sein.“
    Hendriks Hände fielen kraftlos auf den Tisch, aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen, die bleichen Lippen bebten, seine Finger kratzten unaufhörlich über das Aluminiumblech der Tischplatte. Seine Schultern waren herabgefallen und der ganze Körper schien sich in sich selbst zurückzuziehen.
    „Sie wusste es nicht, niemals! Sie weiß es immer noch nicht! Tun Sie ihr nichts! Ich wusste es auch nicht! Ich flehe Sie an! Helfen Sie ihr! Helfen Sie mir!“
    Hendrik rang rasselnd nach Atem, seine Worte waren ein tonloser Hauch.
    „Was wusste Louise nicht? Was wussten Sie nicht?“ Marcel geriet in Panik. Hendrik sah aus, als würde er jede Sekunde tot zusammenbrechen, vielleicht ein Hitzeschlag und er delirierte bereits.
    „Wir haben Luc adoptiert. Er wurde im Hafen neben einem Fischcontainer gefunden. In Lumpen gewickelt. Einer meiner Arbeiter hat ihn gefunden und mir gebracht, um zu helfen. Meine Frau konnte keine Kinder empfangen, sie hat das Lumpenbündel in den Armen gehalten und nicht mehr losgelassen. Sie hat ihn Luc genannt, nach dem lateinischen luce, das Licht. Wir haben ihn behalten. Seine Mutter haben wir nie gefunden. Er ist mein Sohn! Luc ist mein Sohn!“
    Hendrik weinte keine Tränen, er ließ seinen Kopf wie ein Betrunkener schlaff auf die Arme sacken.
    Marcel sprang auf, packte den Alten unter den Schultern, riss ihn hoch und schrie:
    „Machen Sie mir jetzt nicht schlapp! Luc braucht Sie! Kommen Sie, wir holen ihn! Hören Sie? Ich helfe Ihnen! Luc braucht Sie jetzt!“
    Marcel weinte an Hendriks statt.

Alette
    Irgendjemand war in ihrer Küche gewesen, das merkte sie an den Wasserrändern in der Spüle.
    „Wahrscheinlich Louise, die wieder auf der Suche nach Essbarem oder einem Drink gewesen war“, dachte Alette.
    Sie bereitete mit mechanischen Handgriffen alles für ihren abendlichen Besucher vor, war in Gedanken jedoch bei dem unausweichlichen Gespräch mit Louise, das ihr noch bevorstand. Es war ihr unangenehm, das wohlgehütete Geheimnis ihrer Freundin lüften zu müssen, aber es war nicht zu vermeiden und sie wollte es so schnell wie möglich hinter sich haben. An ein Leben ohne Louise zu denken, verbot sie sich im Moment noch strikt.
    Lautes Klopfen am Tor und das unaufhörliche, penetrante Schrillen von Louises Türklingel ließen sie in ihren Tätigkeiten inne halten. Sie drückte auf den Videoknopf ihrer Sprechanlage, um zu sehen, wer sich am Tor so lautstark bemerkbar machen und so brennend zu Louise wollte.
    Als Ersten erkannte sie Marcel, der mit verzerrtem Gesicht in die Videokamera glotzte und aus seinem geifernden Mund zweifellos unschickliche Worte in sein Mobiltelefon brüllte.
    Daneben stand Hendrik, mit wie zum Gebet erhobenen, bettelnden Händen, Halt suchend an Marcel gelehnt, bleich bis in die Lippen, mit Schweißperlen um Mund und Nase. Mit seinen tränenden Augen bot er ein Bild niedergeschmetterter Verzweiflung.
    Alette erschauerte.
    Egal, was da draußen vor sich ging, wenn Louise nicht öffnete, tat sie dies nicht grundlos.
    Alette würde sofort versuchen, Louise am Telefon zu erreichen, aber sie würde ihr zweifellos nicht in den Rücken fallen, indem sie den Türöffner betätigte.

Louise
    Sie kauerte in ihrem Erbrochenen in dem engen Spalt

Weitere Kostenlose Bücher