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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hat mir die Köchin helfen müssen. Sie hat aber nur das Land gemalt; das ist leicht. Das übrige mußte ich selber machen; dazu hat sie kein Talent!“
    Sein Vater befand sich im höchsten Zorn. Er gab sich alle Mühe, ihn zu unterdrücken, und fragte: „Wer hat dir denn erlaubt, diese Wände und die köstlichen Sprüche zu übermalen?“
    „Doch du!“ antwortete der Sohn.
    „Ich – – –?“
    „Ja, du selbst! Ich fragte dich, ob ich im Gartenhaus zwei Bilder malen dürfe, und du hast es mir erlaubt.“
    „Habe ich da etwa annehmen können, daß du sie an die Wände malst anstatt auf Papier? Wir sprechen noch hierüber, mein Sohn!“ Er machte die Gebärde, als habe er einen Stock in der Hand, und fügte hinzu: „Übrigens sehe ich nur ein Bild, nicht zwei.“
    „Ich habe mich anders besonnen. Es gibt noch mehr als zwei. Das hier ist das erste. Die anderen kommen noch nach. Der Effendi will doch sehen, was ich kann, und da muß ich ihm soviel wie möglich zeigen.“
    „Noch mehr Bilder? Derartige Bilder? Bist du toll? Welche denn?“
    „Morgen malen wir im Harem.“
    „Was?“
    „Die Posaunen von Jericho und wie die Mauern einstürzen.“
    „Allah erbarme sich! Und übermorgen?“
    „Übermorgen malen wir im Schlafzimmer!“
    „Aber was?“
    „Den Untergang von Sodom und Gomorrha, mit lauter Rauch und Feuer, Blitz und Donner. Die Farben sind schon bestellt!“
    „Schon bestellt! Auch das noch! Im Schlafzimmer Blitz und Donner, Rauch und Feuer! Für deine Kunst scheint es nichts Unmögliches zu geben. Ich sehe ein, daß ich ihr Grenzen ziehen muß. Was stellt denn dies hier vor? Da ist doch keine Spur von Gedanken drin!“
    Er hatte bei dem Wort ‚Grenzen‘ eine Bewegung gemacht, als ob er ihn wieder, wie heut' am Vormittag, über das Knie nehmen wolle. Trotz dieser Drohung mußte der Knabe lachen, als er jetzt antwortete: „Keine Gedanken? Da steckt doch das ganze Volk Israel und der König Pharao mit allen seinen Ägyptern drin!“
    „Wieso?“ erkundigte sich der Vater. „Ich sehe doch nichts von ihnen!“
    „Weil sie eben im Wasser sind! Dieses Bild ist der Durchgang der Kinder Israel durch das Rote Meer. Siehst du es denn nicht, das Rote Meer, da grad vor dir? Und drüber ist die blaue Luft, und ganz oben, grad über dem Kopf, die gelbe Sonne, denn es ist genau Mittagszeit. Hier links, das grüne Land, das ist Ägypten, und das Haus, das ist der Palast des Pharaos. Und hier rechts, das grüne Land, das ist Palästina, und in dem Haus, welches drinsteht, wohnt der König der Jebusiter. Dazwischen liegt das Rote Meer. Die Kinder Israels waren Sklaven in Ägypten. Moses hat ihnen losgeholfen. Er floh mit ihnen in das Rote Meer. Jetzt eben stecken sie alle drin. Pharao eilte ihnen nach mit seinem ganzen Heer. Schau her! Soeben ist der letzte von ihnen verschwunden. Man sieht nur noch seine Ferse, die noch nicht im Wasser ist. Und drüben, auf der anderen Seite, da kommen die Kinder Israels soeben wieder aus dem Wasser heraus. Man sieht schon die Fußzehen des ersten von ihnen, die außerhalb des Wassers sind. Sobald sie sich alle auf dem Trockenen befinden, male ich meine Haifische hinzu, und dann sollst du sehen, daß der Pharao mit seinen sämtlichen Soldaten aufgefressen wird und daß kein einziger von ihnen übrig bleibt! Sind das etwa keine Gedanken?“
    Er stellte sich breit vor seinen Vater hin und sah ihm überlegen in das Gesicht. Und da erklang hinter uns die vorwurfsvolle Stimme der Negerköchin, die mit ihrer Windlaterne noch an der Tür stand und alles gehört hatte: „Und das ganze grüne Ägypten und das ganze grüne Palästina, das stammt von mir. Morgen male ich Jericho!“
    Da konnte sich der gute Mustafa Bustani nicht länger beherrschen. Sein ganzer Zorn brach los.
    „Was du morgen malst, das wird sich finden!“ donnerte er sie an: „Marsch! Fort mit dir! Ins Haus!“
    Da fuhr ihr der Schreck in die Glieder. Sie ließ die Laterne fallen, daß sie zerbrach und verlöschte, und rannte davon, so schnell ihre Füße sie trugen. Aber diese Wirkung seines Grimmes gab dem Händler sofort die über sich verlorene Gewalt zurück. Er wandte sich in entschuldigendem Ton an uns: „Verzeiht! Der Zorn tut nie das Richtige. Erlaubt, daß ich euch begleite!“
    Wir verstanden und begriffen ihn sehr wohl. Er führte uns nach dem Tor, durch welches wir gekommen waren. Es stand noch offen. Dort sagte er: „Es bleibt bei unserer Fahrt, morgen früh. Ich hole euch ab, sieben Uhr

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