Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
aus der Gegend von El Kerak jenseits des Toten Meeres, und mit ihrem Töchterchen auf einer Pilgerreise nach den heiligen Stätten von Bethlehem und Jerusalem. Sie war zwar arm und einfach, aber – ich möchte mich des Ausdrucks bedienen – arabisch schick gekleidet und in der Art und Weise, wie sie sich ausdrückte, pflegt eine gewöhnliche Araberin oder gar Beduinin nicht zu sprechen. Auch sie war schön, aber von jener schwermütigen, durchgeistigten Schönheit, die eine Tochter des Leids, nicht aber des Glücks ist. Meine Frau reichte ihr die Hand und zog sie an ihre Seite heran und ich empfahl ihr, ja keine Sorge zu haben; es werde ihr nichts geschehen.
    Jetzt kamen die Reiter auf uns zu. Sie hielten einige Schritte von uns an und stiegen ab. Man sah, daß sie nicht die Absicht hatten, uns zu grüßen. Das durfte ich nicht dulden, denn das hätte die Unverschämtheiten, die ich vermeiden wollte, grad herbeigeführt. Es gibt da eine gewisse Art von Blick, der immer wirksam ist, wenn man ihm die nötige Festigkeit zu geben versteht. Den richtete ich auf denjenigen von ihnen, welcher der Vornehmste zu sein schien. Er wurde verlegen, hob die Hand an die Brust, verbeugte sich leicht und sagte: „Sallam!“
    Das klang sehr kurz.
    „Sallam!“ antwortete ich darum ebenso kurz, ohne daß ich aufstand.
    „Sallam!“ antwortete auch der Bub.
    „Ich bin Abdullah, der Schreiber des Schech el Belad (des Bürgermeisters)!“ rühmte sich der Hebronit.
    Noch ehe ich antworten konnte, antwortete der Bub: „Und dieser mein Effendi ist der oberste Schreiber des Bürgermeisters von Deutschland! In seine Tasche fließen sämtliche Steuern. Er setzt ein oder ab, wen er will. Er ist nach El Chalîl gekommen, um von den Russen die Eiche Abrahams zu kaufen und nach Hause schaffen zu lassen. Heil sei ihm!“
    Als er das gesagt hatte, nahm er seine ‚neue Freundin‘ bei der Hand und ging mit ihr den Knaben von Hebron entgegen. Ich vergaß ganz, ihn zu warnen, so entsetzt war ich über die Unverfrorenheit, mit der er seine tollen Behauptungen vorgebracht hatte. Aber das Unerwartete geschah. Die Männer nahmen sie ernst. Sie hielten eine kurze, leise Beratung; dann machten sie alle eine tiefe Verneigung und Abdullah sagte: „Effendi, du bist ein großer, ein mächtiger Herr, aber leider ein Christ. Wir dürfen dich darum nicht einladen, unser Gast zu sein, und werden die Spiele der Jugend erst dann beginnen, wenn ihr diesen Ort verlassen habt.“
    Das war eine indirekte Aufforderung, uns aus dem Staub zu machen. Dann gingen sie mit ihren Eseln fort, nach einer entfernteren Stelle. Eine weniger friedfertige Szene spielte sich da ab, wo Thar und Schamah mit den Knaben aus Hebron zusammengetroffen waren. Die letzteren waren in Aufregung. Sie brüllten etwas, was wir nicht verstanden, weil zu viele es riefen. Der Bub stand furchtlos vor ihnen, hatte den linken Arm schützend auf das Mädchen gelegt, gestikulierte mit dem rechten drohend in der Luft herum und hielt eine Rede, die wir auch nicht verstanden. Der Mutter wurde angst um ihr Kind. Ich beruhigte sie. Wir näherten uns der lebhaft bewegten, schreienden Gruppe. Als der Bub uns kommen sah, rief er uns zu: „Es ist weiter nichts! Sie wollen Schamah ersäufen – im Wasser, dort wo ihr gesessen habt! Weil sie eine Christin ist und das heutige Fest besudelt. Da habe ich gesagt, daß ich das nicht dulde, sondern für sie kämpfen werde. Nun wählen sie einen Anführer, mit dem ich verhandeln soll. Da ist er schon!“
    Er deutete auf einen großen, robusten Jungen, der jetzt aus dem Haufen trat, um, wie die Erwachsenen zu tun pflegen, vor dem Kampf eine Rede zu halten. Er stellte sich in Positur und schrie zu Thar und uns herüber: „Du bist ein Christenhund und sie ist ein Christenmädchen, also noch schlimmer als ein Hund. Wir werden sie ertränken, da wo die Zisterne so tief ist, daß sie gar keinen Boden hat. Wir sind wahre, strenge und gehorsame Gläubige des Propheten. Wir können nicht dulden, daß heute, am Geburtstag Ismaels, die Füße einer Christin diesen Boden berühren. Sie muß also sterben. Aber du willst um sie kämpfen, weil du sagst, du seiest ein Held. Wir sind bereit dazu, denn auch wir sind Helden. Ich fordere dich auf, mir deine Bedingungen zu sagen!“
    Als die Mutter von Schamah das hörte, stieg ihre Angst auf das höchste. Ich aber erklärte ihr, daß es sich zwar wohl um einen wirklichen Zorn, in der Ausübung desselben aber nur um ein Spiel handle;

Weitere Kostenlose Bücher