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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zeigefinger auf die Araberin. Die Stimme klang weich, aber eindringlich; sie hatte einen Ton, der nicht leicht zurückzuweisen ist.
    „Was heißt Schamah?“ fragte mich meine Frau, indem sie das Kind an sich zog und liebkoste.
    „Es ist die ostjordanländische Aussprache von Samah, Verzeihung“, antwortete ich.
    „Du kleines, reines Seelchen“, lächelte meine Frau auf das Kind herab; „dir wird man wohl noch nichts zu verzeihen haben!“
    „Ich bringe euch Glocken“, lächelte Schamah zurück. Und die Blumen an das Ohr meiner Frau emporhaltend und dort bewegend, fuhr sie fort: „Jetzt läute ich sie. Kannst du es hören?“
    „Ja, ich höre es.“
    „Nicht wahr? Ganz leise, leise, leise, wie aus dem Himmel herunter! Aber wenn sie großgewachsen sind, so groß, wie sie in der Kirche hängen, dann wird die ganze Welt das Läuten hören.“
    „Du sprichst von der Kirche?“ fragte Thar. „Bist du vielleicht Christin?“
    „Ja, eine Christin“, nickte sie.
    „Und deine Mutter auch?“
    „Sie auch.“
    Da klatschte er in die Hände und rief: „Das ist schön! Das ist gut! Das freut mich!“
    „Warum?“
    „Weil ich eben ein Held bin und weil ich für dich kämpfen will. Für eine Mohammedanerin kann man keine Heldentaten verrichten. Die wickelt sich in Tücher ein und humpelt, häßlich wie ein Frosch, mit hölzernen Pantoffeln an den Füßen. Die Christinnen aber kann man sehen, und das ist notwendig, wenn man begeistert werden soll, das Leben für sie in die Schanze zu schlagen. Unsereiner muß sich doch auch sehen lassen! Weißt du, wie ich ausschauen werde, wenn ich für dich kämpfe?“
    „Doch so wie jetzt! Oder nicht?“
    „Nein. Mein jetziges Aussehen ist nicht tapfer genug. Weißt du, schon die Farbe hat den Feind zu erschrecken! Darum male ich mich an, sobald es zum Kampf geht. Im Gesicht bin ich auf der einen Seite blau und auf der anderen grün – – –“
    „Pfui!“ unterbrach sie ihn.
    „Die Beine streiche ich rot an und die Arme gelb –“
    „Pfui, pfui!“
    „Auf dem Rücken habe ich weiße und schwarze Striche von oben nach unten, und vorn habe ich schwarze und weiße Striche von hüben nach drüben.“
    „Pfui, pfui, pfui!“
    „Das gefällt dir nicht?“ fragte er, halb verwundert, halb enttäuscht.
    „Nein, gar nicht! Ich will dich so haben, wie du bist, nicht aber angemalt!“
    „Gut, so bleibe ich, wie ich bin! Und wenn ich mir die Sache richtig überlege, so hast du recht, sehr recht. Nämlich wenn ich mich mit meinen Feinden herumschlage, so haben doch sie blau, gelb und grün auszusehen, nicht aber ich. Das werde ich mir merken. Unsere vier Klubs müssen neue und bessere Gesetze haben. Nämlich der, an dem man Farben entdeckt, hat als besiegt zu gelten! Dir zulieb bin ich gern bereit, über alle Regeln, die nichts mehr taugen, hinwegzuspringen!“
    Er richtete sich so hoch wie möglich auf und gestikulierte mit seinen beiden Armen so überzeugend, daß sie ihre großen Augen bewundernd auf ihn richtete und ihn fragte: „Ja, ich glaube es schon, daß du ein Held bist; aber wo gibt es denn einen Grund, grad meinetwegen andere totzuschlagen?“
    „So ein Grund läßt sich immer finden, zumal wenn man nach ihm sucht. Vielleicht kommt er dort. Schaut hin!“
    Er deutete nach der Gegend der Kirchenruine, hinter der Leute hervorkamen, die uns bisher unbemerkt geblieben waren. Es waren zehn bis zwölf Männer, die auf Eseln ritten, und hinter ihnen ein Zug von vielleicht vierzig bis fünfzig Knaben, die Fahnen und allerlei Kinderwaffen trugen. Einige waren mit Lärminstrumenten versehen, die sie jetzt, da sie uns erblickten, in Bewegung setzten. Das war einer jener Kinder-Festzüge, die am heutigen Tag die Umgebung der Stadt belebten.
    „Kann das nicht gefährlich werden?“ fragte meine Frau. „Wir wollen uns schnell entfernen!“
    „Keinesfalls“, antwortete ich; „am allerwenigsten schnell! Wir haben allen Schein, daß wir uns etwa fürchten, zu vermeiden. Wir werden ihnen das Wasser freigeben, aber nicht sofort. Ich hoffe, sie werden uns grüßen!“
    Der Zug hatte jetzt den Platz erreicht. Die Männer hielten bei unserem Hammahr an und fragten ihn nach uns. Da erfuhren sie zwar, daß wir Christen seien, aber Schlechteres jedenfalls nicht. Schamahs Mutter verließ ihren Platz und kam zu uns. Sie fürchtete sich vor den fanatischen Leuten aus El Chalîl und bat, sich uns anschließen und den Ort mit uns verlassen zu dürfen. Sie sei Christin, eine Witwe

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