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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es sei ja heute der ‚Tag der Jugendspiele‘. Sie könne sich darauf verlassen, daß ihrem Kind nichts geschehen werde. Sie brauche Schamah nicht von unserem Knaben wegzuholen.
    Dieser erklärte jetzt dem Kind: „Du bist die Königin des Spiels, welches vor deinen Augen stattzufinden hat. Komm, setz dich!“
    Sie nahm auf einem Stein Platz, neben den er sich stellte. Dann zog er sein Merkbuch aus der Westentasche, schlug es auf und begann die Gegenrede: „Ihr nennt mich einen Christenhund, doch bin ich ein Moslem aus Jerusalem, welches größer ist als euer El Chalîl. Wer aber seid denn ihr?“ Das folgende las er vor: „Ihr seid Kananiter, Hethiter, Jebusiter, Girgasiter, Heviter, Amoriter, Siniter, Arkiter, Zemariter, Arvaditer, Hamathiter und Sidoniter! Die Feinheiten des Islams sind an euch vorübergegangen und nur der Bodensatz ist sitzengeblieben! Wäre euer Glaube rein und edel, so hättet ihr nicht nötig, eure Heiligtümer vor anderen zu verbergen!“
    Jetzt steckte er das Notizbuch wieder ein und fuhr dann fort: „Ihr nennt meine kleine Freundin hier noch schlimmer als einen Hund. So etwas sagt kein Held. Ich aber bin einer und darum bin ich höflich, auch gegen euch. Ich werde mit euch kämpfen, aber nicht so, wie es hier bei euch: viele gegen einen, sondern wie es in Jerusalem Sitte ist: Mann gegen Mann. Ihr werdet euch in Löwen, in Elefanten, in Nilpferde und in Walfische verwandeln. Ihr wählt den kühnsten Löwen, den mächtigsten Elefanten, das stärkste Nilpferd und den größten Walfisch unter euch aus. Mit diesen vier Bestien werde ich kämpfen. Wenn einer von euch mich besiegt, so dürft ihr mich ersäufen, nicht aber sie, um die ich kämpfe. Wenn aber ich alle vier besiege, so bekomme ich – – –“
    „Hier meine Glockenblumen!“ rief Schamah, indem sie das kleine Händchen mit den Blumen hoch emporstreckte.
    „Ja, diese deine Glockenblumen“, stimmte Thar bei. „Ihr Hebroniter aber setzt euch jetzt um sie und mich herum, damit ich euch erkläre, was es mit den Löwen, Elefanten, Nilpferden und Walfischen für eine Bewandtnis hat!“
    Sie gehorchten sofort und mit Freuden. Es gab für einige Augenblicke ein wirres Kribbeln und Krabbeln in- und durcheinander hinein; dann aber trat tiefe Stille ein, in welcher nur die erklärende Stimme des Buben zu hören war. Als sie alle begriffen, um was es sich handelte, erhob sich großer Jubel. So etwas war noch niemals dagewesen! Ein jeder drängte sich dazu, zur Bestie zu werden, und inmitten all dieser Ungetüme, die nach Rache strebten, saß Schamah, die Verzeihung, ein friedliches Lächeln im lieben Angesicht und ohne alle Furcht, verletzt zu werden. Und sonderbar, nicht nur die Jungen, sondern auch die Alten fühlten sich begeistert. Sie gesellten sich hinzu. Sie wählten mit und sie bestimmten mit. Sie steckten den Kampfplatz ab, und Abdullah, der Schreiber des Schech el Belad, hatte sogar die Güte, die Ordnungs- und Sicherheitspolizei in die eigene Hand zu nehmen. Von Glaubenszwist und Glaubenshaß war keine Rede mehr.
    Der Kampfplatz bildete ein Viereck, welches nördlich von den Löwen, südlich von den Nilpferden, östlich von den Elefanten und westlich von den Walfischen eingeschlossen wurde. Schamah saß an der Südseite auf ihrem Thron, um alles leicht überschauen zu können. Dieser Thron war Güwerdschina, der Maulesel, die sicherste Stelle, die stehen blieb. In den Ecken saßen die Musikanten, eine Tarabukka (Topftrommel), eine Nakara (Tamburin), ein Nefir (Trompete) und eine Suffara (Querpfeife). Die waren verpflichtet, den größtmöglichen Lärm zu machen, sooft unser Bub zu Boden gerungen wäre. Denn daß der Sieg sich auf seine Seite neigen könnte, das hielten die Hebroniten für unmöglich. Sie hatten ihre stärksten Burschen ausgesucht. Die Bedingungen waren sehr einfach: Welcher von den drei ersten Bestienarten auf die Erde zu liegen kam, der hatte verloren. Der Kampf der Walfische aber hatte in der Zisterne stattzufinden. Der Sieger mußte seinen Gegner untergetaucht haben und durfte ihm dann noch öffentlich einen ganzen Mund voll Wasser in das Gesicht blasen. Vor Beginn des Kampfes wurden die vier Heroen aus Chalîl gefragt, ob sie vielleicht gesonnen seien, von der Wahl zurückzutreten. „Um keinen Preis!“ antworteten sie. Da gab Abdullah, der Schreiber, das Zeichen, daß die Zeit des Löwenkampfes gekommen sei. Der Leu aus Hebron trat vor. Es war derselbe große, robuste Junge, der die Rede gehalten

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