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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hindurchzukommen.“
    Jetzt kam die Brigantine in das Bereich der Batterie. Mit einem lauten Kommandorufe brachte Surcouf seine Leute hinauf auf die Rahen, wo sie, sich die Hände reichend, Parade bildeten. Zu gleicher Zeit flog die französische Flagge empor, und aus den Stückpforten krachte die gebräuchliche Zahl der Begrüßungsschüsse. Dies alles geschah mit einer solchen Gewandtheit und zierlichen Genauigkeit, daß selbst der sonst so kalte Bonaparte hingerissen wurde. Er kommandierte Feuer und gab mit geladenen Kanonen Antwort auf den Gruß des Mannes, den zu vergessen er sich vorgenommen hatte. Natürlich waren die Kugeln jetzt nicht gezielt; sie flogen weit an der Brigantine vorüber, welche mit graziöser Schwenkung dem Bereich der Batterie entsegelte.
    Kaum war sie vorüber, so wurde ein Mann am Bug herabgelassen, der sich mit der Inschrift zu schaffen machte. Jetzt sahen die beiden in der Redoute befindlichen Offiziere, daß der ursprüngliche Name nicht getilgt, sondern nur mit einem Papier überklebt worden war, auf welchem die beiden Worte ‚Le faucon‘ standen. Diese Worte wurden jetzt entfernt, und nun kam wieder der frühere Name ‚The hen‘ zum Vorschein.
    „Ah diable, er hat uns betrogen!“ rief General Dugommier. „Die ganze Szene war nur Komödie, um unangefochten an der Batterie vorüberzukommen. Man hat ihm kein Schiff gegeben, und nun ist er zu dem Feind übergegangen.“
    „Das glaube ich nicht“, antwortete Napoleon. „Dieser Surcouf ist keines Verrats an seiner Nation fähig, denn er ist eigentümlicherweise ein frommer Christ und guter Katholik. Diese Art von Leuten hat neben anderen Eigenschaften auch die, daß man auf sie rechnen kann. Ich glaube eher, daß er beabsichtigt, die Engländer zu düpieren.“
    „Das werden wir sehen, sobald er in den Bereich ihrer Kanonen kommt.“
    Die Brigantine flog mit vollen Segeln und zierlich sich zur Seite neigend über die Reede dahin. Draußen kreuzten die Dreimaster der Engländer; man konnte mit dem bloßen Auge jedes einzelne Schiff erkennen. Am deutlichsten war das Flaggschiff zu unterscheiden, auf welchem sich Admiral Hood in eigener Person befand. Die Brigantine hielt grad auf dasselbe zu; sie wurde noch immer von den Fernrohren der beiden Offiziere verfolgt.
    „Er segelt das Signalschiff an; er ist wirklich ein Abtrünniger“, sagte General Dugommier.
    „Wir wollen noch warten“, meinte Napoleon. „Diese Episode ist wirklich hochinteressant!“
    „Könnte er sich in die Nähe des Flaggschiffes wagen, wenn er den Engländern wirklich entkommen will?“
    „Das scheinbar Schwierigste ist zuweilen just das Leichteste. Ah, was ist das?“
    „Die Leute, welche wieder durch die Luken heraufsteigen?“
    „Ja. Sie gingen vor zwei Minuten hinab; jetzt, da sie zurückkehren, tragen sie die Uniform englischer Seeleute. Ich ahne, was dieser verteufelte Surcouf beabsichtigt. Wenn meine Vermutung in Erfüllung geht, so ist dieser junge Bretagner allerdings ein Mann, dem man ein Schiff hätte anvertrauen sollen!“
    Die Wangen des kleinen Korsen röteten sich; die Brigantine nahm jetzt sein regstes Interesse in Anspruch. Er dachte nicht an Toulon, an die gewaltigen Werke, welche vor ihm lagen, sondern er sah nur das kleine Fahrzeug, welches keck und kühn den stolzen Linienschiffen Englands in die Zähne segelte.
    „Der Mensch wird doch nicht so verrückt sein, zu glauben, daß er an diesem Punkt die Linie durchbrechen kann!“ hub der General wieder an. „Er müßte sich weiter nach Ost halten, um dem Feind den Wind abzugewinnen.“
    „Wer weiß, welcher Berechnung er folgt! Vielleicht hat er trotz der kurzen Zeit ‚The hen‘ genau genug kennengelernt, um zu wissen, was er mit ihr wagen kann. Voilà, da dreht das Flaggschiff bei! Er hat das Zeichen gegeben, daß er mit dem Admiral reden will.“
    Jetzt kam ein Augenblick der größten Spannung. Das Flaggschiff hatte beigedreht, indem es den einen Teil seiner Segel voll im Winde ließ, den anderen aber so braßte, daß der Wind von außen empfangen wurde. Nun hätte man erwarten sollen, daß die Brigantine ihre Segel fallen ließ, statt dessen aber setzte Surcouf ein Sternsegel nahe am Wind bei und ließ den Helmstock des Steuerruders an der Leeseite festbinden. Dadurch wurde der Vorderteil des Schiffes der hohen See zugekehrt, und die beiden Fahrzeuge trieben einander langsam entgegen.
    Napoleon sah durch das Rohr Surcouf auf dem Hinterdeck stehen, in englischer Uniform und das

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