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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sprachrohr in der Hand, aber in einer solchen Haltung, daß man vom Flaggschiff aus sein Gesicht noch nicht zu sehen vermochte. Kaum noch fünf oder sechs ihrer eigenen Längen war die Brigantine von dem Dreimaster entfernt, da winkte Surcouf mit dem Rohre. Sofort riß der Mann am Steuer das Tau vom Ruder, und das Sternsegel wurde gerefft: ‚The hen‘ nahm frischen Wind und kam wieder in schnelle Fahrt. Statt anzuhalten, strich sie mit ziemlicher Schnelligkeit an dem Dreimaster vorüber. Napoleon sah, daß Surcouf abermals den Arm erhob. In diesem Augenblick legte sich die Brigantine schwer zur Seite und die französische Flagge flog empor. Zunächst erblickten die beiden Offiziere einen lichten Rauch, welcher der Breitseite des kleinen Fahrzeuges entquoll; dann sahen sie das stolze Flaggschiff bis an die Spitze seiner Masten erzittern, und einige Augenblicke später hörten sie den Donner der Kanonen, mit denen der kühne Bretagner das Orlogschiff begrüßt hatte.
    Eine Minute nachher faßte die Brigantine vollen Wind, und ehe man auf dem Linienschiff sich von seinem Erstaunen erholt hatte, war sie bereits aus sicherer Schußweite gekommen. Man sah, welche Verwirrung dieses außergewöhnliche Intermezzo auf dem Admiralsschiff hervorrief; es wendete und jagte dem Flüchtling eine Breitseite nach, aber ohne zu treffen; dann flogen Signale an den Leinen empor, welche von den anderen Schiffen beantwortet wurden, und bald befanden sich alle verfügbaren Fahrzeuge auf der Jagd nach dem verwegenen Zwerg, welcher es gewagt hatte, den Riesen zu täuschen und mit ihm anzubinden.
    „Ah, excellent, excellentissime!“ rief General Dugommier, indem er tief aufatmete. „Dieser Mensch ist wirklich ein kleiner Teufel, der alles Lob verdient.“
    „Lob?“ erwiderte Bonaparte. „Bürger General, was dieser Robert Surcouf geleistet hat, ist über alles Lob erhaben; ich, Napoleon Bonaparte, sage, daß er eine Schlacht gewonnen hat. Ich wünsche von Herzen, daß er entkommt. Stände ich an der Spitze der Marineangelegenheiten, so würde ich ihn zurückrufen, um ihm eine Flotte anzuvertrauen. Ich habe mich in diesem Genie getäuscht!“ –
    Drei Tage später trat ein korsischer Fischer aus Calvi bei ihm ein. Dieser hatte die Brigantine ‚Le faucon‘ getroffen und von dem Befehlshaber derselben einen Brief erhalten, um ihn bei Napoleon abzugeben. Derselbe lautete:
    „An den Bürger Colonel Bonaparte. Ich habe mein Wort gehalten und mir ein Schiff genommen. Wenn Gott mich beschützt, so daß ich unbeschädigt an Gibraltar vorüberkomme, wird man bald weiteres von meinen Träumen hören. Robert Surcouf.“
    Napoleon Bonaparte faltete das Papier sorgsam und nachdenklich zusammen. Und doch ahnte er nicht, daß er einen der größten Fehler seines Lebens begangen hatte, als er diesem Mann seine Protektion verweigerte. – – –
    Seit den letzterzählten Ereignissen waren sieben Jahre vergangen. Napoleon hatte in Italien seine Adler steigen lassen, in Ägypten seine Siege erfochten und war erster Consul geworden. Der kleine Korse regierte mit Cambacérès und Lebrun das Land, war aber in Wirklichkeit der einzige Regent Frankreichs.
    Die Prophezeiung Robert Surcoufs hatte sich erfüllt. Die Nation war von inneren Kämpfen zerrissen und von äußeren Kriegen geschwächt worden; zu Lande war ihr der Sieg treu geblieben, zur See aber hatte sie sich stets schwach gezeigt. Napoleon war ein großer Feldherr, aber ein schlechter Admiral; es fehlte an einem Geist, welcher berufen gewesen wäre, ein Bonaparte zur See zu sein.
    Die Marine war Frankreichs schwächste Seite, und darum war England der gefürchtetste Gegner desselben. Der eines großen Geistes würdige Plan Napoleons, England in Ägypten und Indien anzugreifen, war an der Unfähigkeit des Admirals Brueys gescheitert, welcher sich trotz seiner Übermacht von Nelson bei Abukir schlagen ließ. Das stolze Albion beherrschte alle Meere; sein Krämersinn übte auf die Schiffahrt aller Nationen einen Druck, der sich kaum ertragen ließ. England schrieb Gesetze vor und änderte dieselben nach Belieben; es trachtete nach dem Monopol des Handels, nach der Beherrschung des Weltverkehrs und erzwang sich auf diesem Weg des Drucks und der Pressung ungeheure Summen, mit denen es wieder imstande war, sich die Kabinette zu erkaufen und die Regierungen also von sich abhängig zu machen.
    England schien unverwundbar zu sein. Es besaß neben Nelson Hunderte von Seemännern, denen Frankreich

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