Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
da gehört ganz sicherlich zu denen, welche sich weigern, den Bürgereid zu leisten. Wir werden ihn auf die Probe stellen, und wehe ihm, wenn er sie nicht besteht!“
    Der Wirt brachte das Verlangte; der Tambourmajor drückte dem Priester das gefüllte Glas in die Hand und befahl ihm:
    „Jetzt trinke mir zu, Bürger, und rufe laut: ‚Es lebe die Republik; nieder mit dem Papst!‘“
    Der Bedrängte zeigte nicht die mindeste Angst. Sein Angesicht war bleich, aber seine Augen blitzten, als er, das Glas erhebend, rief:
    „Es lebe der Heilige Vater; nieder mit den Feinden Frankreichs und den seinen!“
    Da erhob sich unter der rohen Horde ein wüstes Geschrei; zwanzig Hände streckten sich aus, den mutigen Bekenner seines Glaubens zu ergreifen, um ihn zu mißhandeln, aber man kam nicht dazu: der Fremde hatte sich herbeigedrängt. Niemand konnte sagen, wie es kam, aber er stand plötzlich vor dem Priester, den er mit seinem Leib deckte, und rief mit lächelnder Miene:
    „Bürger, wollt ihr mir einen Gefallen tun?“
    „Welchen?“
    „Seid so gut und wringt erst mir das Wasser aus der Jacke, ehe ihr euch an diesem Gottesmann vergreift!“
    Sie begriffen wirklich seine Absicht nicht sogleich; sie wurden irre an dem Lachen seines Auges und an der Freundlichkeit seines Tones; aber in diesem Auge und in diesem Ton lag etwas, was sie stutzen machte.
    „Deine Jacke?“ fragte der Sergent-major. „Was haben wir mit dieser zu tun? Gehe auf die Seite, Bürger Surcouf; wir wollen diesem Heuchler eine Litanei einpauken, die er nicht vergessen soll!“
    „So erlaubt wenigstens, daß ich erst einen Schluck mit ihm trinke!“
    Er nahm dem Priester das Glas aus der Hand und fragte ihn:
    „Wie ist dein Name, frommer Vater?“
    „Ich werde Bruder Martin genannt“, antwortete der Gefragte.
    „Eh bien, Bruder Martin, so erlaube, daß ich mit dir trinke auf dein Wohl, auf das Wohl aller mutigen Männer, welche sich nicht fürchten, die Wahrheit zu bekennen, auf das Wohl meiner schönen Bretagne, wo ich geboren bin, auf das Wohl meines Vaterlandes, auf den Sieg unseres Glaubens und auf das Wohl aller ehrwürdigen Diener der heiligen Kirche, welche Gott der Herr beschützen möge!“
    Er setzte das Glas an die Lippen und trank es bis zur Nagelprobe aus. Einige Sekunden lang herrschte tiefe Stille in der Stube, die Stille der Überraschung, dann aber brach der Sturm los. Alle Stimmen schrien, und alle Fäuste ballten sich; man drängte sich zornig heran, aber der lange Tambourmajor breitete die Arme aus und hielt die anderen zurück.
    „Halt, Bürger Kameraden!“ rief er. „Der Soldat muß bei jedem Angriffe nach bestimmten Regeln verfahren. Dieser Mensch, der sich Bürger Surcouf nennen läßt, scheint mir kein Seemann, sondern ein verkappter Emissär des Papstes zu sein. Wir wollen ihn einmal auf die Bank legen und mit dem Stock befragen. Bürger Sergent-major, faß an!“
    Die beiden starken Menschen streckten die Hände aus, um Surcouf zu erfassen, flogen aber – so schnell der eine in diese und der andere in jene Ecke, daß niemand eigentlich begreifen konnte, wie es geschehen war. Ein Schrei der Wut erscholl ringsum, und nun ließ sich keiner mehr halten, sich auf die beiden Angegriffenen zu werfen. Da aber ertönte ein lautes Krachen; Surcouf hatte ein Bein vom Tisch gebrochen und schlug damit einen so regelrechten Achter, daß sofort zwei, am Kopf scharf getroffen, zu Boden stürzten, die anderen aber sich schleunigst zurückzogen.
    „Glaubt ihr nun, daß ich Seemann bin?“ lachte er. „Ein Schiffer weiß so ein petit levier (Handpeitsche, Brechstange) schon zu gebrauchen! Ist das der Dank, daß ihr meinen Wein getrunken habt, ihr Memmen, die ihr euch an zwei Männer wagt, weil ihr über dreißig zählt? Kommt her, und legt den Robert Surcouf auf die Bank, wenn ihr könnt!“
    „Drauf auf sie!“ brüllte der Sergent-major.
    Surcouf ließ das Tischbein wieder wirbeln; aber die Hinteren drängten die Vorderen, und es hätte gewiß ein Unglück gegeben, wenn nicht eben jetzt eine helle, scharfe gebieterische Stimme von der Tür her gerufen hätte:
    „Cessez à l'instant! Was geht hier vor?“
    Draußen vor den Fenstern sah man einen kleinen Reitertrupp halten, und unter der Tür stand derjenige, welcher gesprochen hatte. Er war von kleiner, schmächtiger Gestalt; sein hageres, scharf geschnittenes Gesicht zeigte eine bronzene Färbung; die breite Stirn bedeckte ein Tressenhut, und die Gestalt war in einen weiten

Weitere Kostenlose Bücher