41 - Unter heisser Sonne
muß sie sofort wissen, daß es nur an sie gerichtet sein kann!“
Er nahm das Glas vor das Auge. Es waren seine Strophen; zwar konnte er die einzelnen Lettern nicht deutlich unterscheiden, aber er sah es an der Stellung des Satzes, daß die Stelle, auf welcher ihr Auge ruhte, nichts anderes, als ein Gedicht enthielt. Eine tiefe Röte breitete sich über ihr Gesicht von der Stirne bis zum Nacken herab.
„Sie hat es gelesen!“ flüsterte Forster mit freudebebender Stimme. „Sie liest es wieder. Oh, wenn sie wüßte, wie so innig der Dichter sie mit seiner ganzen Seele umfangen hält; wenn sie es doch fühlen könnte, wie selig sein Puls in diesem Augenblick für sie klopft und wogt!“
Unbeweglich, wie an sie gezaubert, hielt er seinen Blick auf sie geheftet und suchte in ihren prächtigen Augen und auf ihren frischen Lippen die Worte zu lesen, welche sie zu ihrem Vater sprach. Sie rief einen kurzen Befehl in den Salon hinein; der Negerknabe brachte eine Schere herbei. Sie nahm dieselbe, schnitt das Gedicht aus der Zeitung heraus und gab diese ihrem Vater zurück. Den Ausschnitt aber faltete sie zusammen und verbarg ihn an ihrem Busen.
Bei diesem Anblick schoß es Forster glühend durch die Adern; jeder Nerv erbebte ihm in seligem Entzücken, und seine Hand, welche das Glas hielt, zitterte unter dem wonnigen Schauer, der seine hochatmende Brust durchzog.
Da klopfte es an seine Tür; die kleine, hübsche Terzerone seiner Wirtin brachte ihm das Verzeichnis, aus welchem er sich die Speisekarte dieser Woche zusammenstellen sollte. Sie war eine jener stillglühenden Schönheiten, welche der Vermischung der schwarzen mit der weißen Rasse ihr genußsüchtiges Dasein verdanken. Er war unwillig über diese Störung, ließ sich aber davon nichts merken. Er versprach, die gewünschte Zusammenstellung sofort vorzunehmen. Sie zog sich bis an die Tür zurück, zögerte jedoch, das Zimmer zu verlassen.
„Wünschst du noch etwas?“
„Eine Bitte, Mylord Forster“, antwortete sie errötend.
„So sprich!“
„Ihr habt mich heute nacht an der Türe getroffen mit einem Gentleman –“
Ihm fiel ein, daß der Mann etwas ihm bekannt Vorkommendes an sich gehabt hatte, und er beschloß, sich zu orientieren.
„Ein Gentleman? Welcher Gentleman stellt sich des Nachts mit einem Dienstboten unter das Tor?“
„Es ist so, Mylord; er ist ein Gentleman, ich kenne ihn genau, denn er ist mein – mein – –“
„Dein Geliebter?“
„Ja“, antwortete sie leise, indem eine tiefe Glut ihren dunklen Teint durchleuchtete. „Die Herrin darf aber nichts davon wissen, und da – da wollte ich Euch ersuchen, ihr zu verschweigen, daß Ihr mich mit ihm gesehen habt!“
„Well! Wer ist denn dieser Gentleman, der dir das kleine Herz betört?“
„Ich nenne ihn Tom, Mylord!“
„Und wie heißt er noch?“
„Das soll ich verschweigen; Euch aber will ich es sagen. Er heißt Tom Wilson und ist ein sehr reicher Plantagenbesitzer in Texas. Er ist sehr oft drüben bei Bankier Olbers und hat mich durch das Fenster gesehen und sehr liebgewonnen.“
„Olbers? Ist dies der dicke Herr, welcher jetzt dort auf dem Balkon sitzt?“
„Ja, und die Lady ist Miß Margaret, seine Tochter, die sehr oft zu meiner Herrin kommt und Marga genannt wird.“
Forster wußte nun auf einmal, wem sein so lebhaftes Interesse gehörte. Ein Gedanke durchblitzte ihn.
„Hat dein Geliebter eine Narbe über der Stirn?“
„Ja. So kennt Ihr ihn, Mylord! Er hat sie von einem Indianer bekommen.“
„Woher weißt du, daß er reich ist?“
„Er hat mich einmal mit in seine Wohnung genommen und mir eine ganze Menge Nuggets und Goldstaub gezeigt. Er wird nächstens verreisen.“
Das Mädchen war mitteilsam geworden. Forster mußte dies benutzen, denn was er hier erfuhr, konnte ihm von Nutzen sein.
„Wohin?“
„Nach Mexiko zu seinem Bruder.“
„Ah! Warum so weit?“
„Sein Bruder, welcher Alkalde in Morelia ist, hat ihm geschrieben, daß er ein großes Geschäft mit ihm machen will. Ich habe den Brief gelesen.“
„Wie heißt der Alkalde? Natürlich auch Wilson!“
„Nein, denn er ist nur der Stiefbruder und heißt Antonio Molez.“
„Was für ein Geschäft soll es sein?“
„Das stand nicht dabei. Werdet Ihr meine Bitte erfüllen, Mylord?“
„Ja, doch nur unter der Bedingung, daß du auch deinem Geliebten nichts von unserer Unterredung sagst!“
„Habt Dank; ich werde schweigen.“
Sie ging, und Forster eilte an das Fenster
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