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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geschrieben, sondern die himmlische Macht, die sich heute mir zum erstenmal offenbarte. Was tue ich? Darf ich oder nicht? Noch ist die Redaktion mit der Zusammensetzung des Morgenblattes beschäftigt – ja, es wird gewagt!“
    Er griff zum Hut und verließ trotz der späten Nachtstunde das Haus, um sich zur Druckerei zu begeben. Sein Beitrag wurde willkommen geheißen, und befriedigt kehrte er zurück. In der vom Mond nicht beschienenen Tornische standen zwei Personen, mit denen er in der Eile seines Ganges nicht allzu zart karambolierte, eine hohe männliche und eine zierliche weibliche.
    „Wer da?“ fragte er.
    „Ich bin's.“
    „Wer ist das?“
    „Sarah.“
    „Welche Sarah?“
    „Das Mädchen von Mutter Smolly.“
    „Ach so. Gute Nacht!“
    Die kleine, niedliche Terzerone hatte also einen Anbeter. Forster wollte in den undeutlichen Umrissen seiner Gestalt etwas Bekanntes finden, konnte aber die beiden Leute unmöglich noch mehr belästigen. Er stieg zu seiner Wohnung empor und schlief nach langer Zeit zum ersten Mal wieder zwischen schwellenden Federn. Seine Ruhe war so tief und fest, daß es dem Gott des Traums versagt blieb, sie mit den glücklichen Bildern zu durchweben, die den Schläfer noch im Entschlummern umgaukelt hatten.
    Trotz des festen Schlafes erwachte Forster doch schon früh am Morgen. Die Toilette war schnell beendet, und dann trat er an das Fenster, um nach seinem schönen Gegenüber zu forschen. Er fand alle Fenster geschlossen; die Balkontüre war noch, wie am Abend, offen. Nun ließ er seine Vorhänge zusammenfallen, und zwar so, daß er seine Beobachtungen anstellen konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
    Er hatte noch nicht lange gewartet, so bewegten sich die Vorhänge, und die unverkennbare, reizende Hand erschien, um sie zurückzulegen und das Fenster zu öffnen.
    Nur wenige Augenblicke war es dem Lauscher gestattet, die Erscheinung des Mädchens anzustaunen, und doch waren sie hinreichend, ihr Bild in jeder reizenden Einzelheit zu umfassen, Hätte er sie nie wiedergesehen, dies Bild würde ihn doch als Ideal weiblicher Schönheit bis über das Grab hinaus begleitet haben. Schlank und hoch war ihre Gestalt; über der formvollendeten Brust hob sich auf einem schneeig zarten Hals ihr kleiner, wunderbar schön geformter Kopf, dessen glänzendes, dunkelbraunes Haar das edle Oval ihres Gesichts einrahmte und in schweren, ungezwungenen Locken auf die schwellenden Schultern niederfiel. Ihre Züge waren fein geschnitten, zierlich gebogen ihre schöne Nase, prächtig gezeichnet ihre Korallenlippen, und unter den graziös geschwungenen dunklen Brauen schauten ein Paar hellbraune, seelenvolle Antilopenaugen hervor. Ihre ganze Erscheinung war ungezwungen vornehm, und ihre Bewegungen zeigten selbstbewußte Ruhe und angenehme Leichtigkeit.
    Nachdem sie die Gardinen zurückgeschoben, das Fenster geöffnet und einen Blick auf die Straße geworfen hatte, trat sie in das Zimmer zurück und verschwand vor Forsters Augen. Die Schläge seines Herzens hatten sich verdoppelt und ein Verlangen, eine Sehnsucht ihn erfaßt, wie noch nie in seinem ganzen Leben.
    Schon wollte er wieder von dem Fenster zurücktreten, da schwebte es wieder wie eine Nebelwolke durch den Salon der Glastür zu, und in blütenweißem duftigem Morgengewand trat sie heraus auf den Balkon. Sie blickte hernieder auf die Straße, legte ihr Batisttuch auf das Eisengeländer des Altans, senkte den schön gerundeten Arm darauf, um sich auf denselben zu stützen und ließ ihre reizenden Hände übereinandergelegt von der Balustrade herabhängen.
    Er stand wie festgebannt vor dem wundervollen, zauberhaften Bild. Sie war schöner, als alles, was er vorher gesehen; sie war lieblicher und anmutiger als alles, was seine Phantasie ihm bisher vorgegaukelt hatte; sie war eine Fee, eine Göttin, von Wolken umgeben.
    Nach dem Frühstück erschien sie wieder und ließ sich, ihrem anwesenden Vater gegenüber, auf dem rotsamtenen Armsessel nieder, den ein sauber in Weiß gekleideter Negerknabe für sie hinstellte. Dann breitete der letztere die Zeitungen aus, deren Lektüre die beiden vornahmen. Forster stand wieder beobachtend am Fenster; er hätte so stehen können, in Liebe und Wonne versunken, bis in alle Ewigkeit.
    „Der dicke Gentleman scheint ihr Vater zu sein. Er blickt überrascht empor; er scheint etwas Interessantes in dem Journal gefunden zu haben. Jetzt lächelt er und gibt ihr das Blatt. Sollte es mein Gedicht sein? Wenn sie es liest,

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