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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zurück. Marga und ihr Vater hatten den Balkon bereits verlassen. Er setzte sich an den Schreibtisch und fertigte den Küchenzettel. Dann machte er Toilette zum Ausgehen. Er wollte den braven Summerland besuchen und hatte während dieser Beschäftigung nicht bemerkt, daß die heimlich Geliebte, jetzt in schwarze rauschende Seide gekleidet, ihre Wohnung verließ, und über die Straße herüber das Haus von Mutter Smolly betreten hatte. Diese war eine Freundin von ihrer verstorbenen Mutter gewesen, hegte eine große Zuneigung zu dem schönen Mädchen und empfing sie mit freundlichen Vorwürfen.
    „Aber, mein Kind, wo denkst du hin? Gestern den ganzen langen Tag nicht auf einen einzigen kleinen Augenblick zu mir herüberzukommen! Hast du denn deine alte, gute Tante Smolly ganz vergessen?“
    „Ja, Tantchen, du bist ganz entsetzlich alt! Aber vergessen habe ich dich trotzdem nicht, sondern mich im Gegenteil recht sehr nach dir gesehnt. Ich hatte schon am Vormittag für die Abendgesellschaft unendliche Vorbereitungen zu treffen und mußte, denke dir nur, nach Tisch um des garstigen Wilson willen, den Papa so unbegreiflich protegiert, mit spazieren reiten. Konnte ich da kommen? Und dann die langweilige Soiree, die mir unerträglich gewesen wäre, wenn nicht Wilson gefehlt und Tim Summerland so interessant erzählt hätte.“
    „Du scheinst diesen Wilson gar nicht gern zu haben?“
    „Nein, Tante, noch viel weniger als ungern. Kannst du dir denken, warum?“
    „Wie sollte ich!“
    „Er hat bei Papa angedeutet, daß er nur meinetwegen in Stenton verweile, und dieser forderte mich auf, so freundlich wie möglich zu sein; er beabsichtige ein ganz bedeutendes Unternehmen mit ihm, und wünsche, ihn durch engere Bande an sich zu fesseln. Soll mich das nicht ärgern?“
    „Gewiß! So etwas ist allerdings höchst ärgerlich, wenn man sich für den Betreffenden nicht zu interessieren vermag. Aber warte nur, Marga, es kommt schon noch die Zeit, daß –“
    „Daß du deine Zimmer vermietest. Nicht wahr, Tante Smolly, das wolltest du sagen?“
    „Eigentlich nicht, du Schelm; aber da du auf dieses Thema kommst, so mußt du erfahren, daß ich gestern endlich doch vermietet habe.“
    „An einen wahren Gentleman?“
    „Ja. Soll ich dir sagen, wie er heißt?“
    „Natürlich. Ich muß doch wissen, wer in deinem Haus wohnt!“
    Die Mulattin schlug den Gedichtband auf und hielt ihr das Titelblatt triumphierend entgegen.
    „Hier steht sein Name. Lies ihn, aber recht laut!“
    „Richard Forster! Tantchen, ist es möglich? Wohnt er bei dir?“
    „Bei mir!“ nickte sie mit gewichtiger Miene.
    „Aber wie ist das gekommen?“ fragte das Mädchen, vor freudiger Verwunderung die Hände zusammenschlagend.
    „So ganz unerwartet, daß ich einen geradezu unverzeihlichen Fehler gemacht habe, mein Kind. Denke dir, Tante Smolly ist unhöflich und rücksichtslos gewesen, unhöflich und rücksichtslos zum ersten Mal in ihrem Leben, unhöflich und rücksichtslos sogar gegen den wahrsten Gentleman, den es geben kann, gegen deinen Lieblingsdichter und denjenigen meines seligen Mannes!“
    „Das ist doch gar nicht denkbar!“
    „Man sollte es meinen, und doch ist es mir passiert. Ich gäbe sehr viel darum, wenn es nicht geschehen wäre! Das war nämlich so: Sarah kommt herein und sagt, daß ein Mann mich zu sprechen wünsche, der ganz zerfetzt und zerrissen gehe und das Aussehen eines ganz gefährlichen Landstreichers habe. Natürlich empfange ich ihn nicht im Parlour, sondern im Vorsaal, finde auch die Worte des Mädchens vollständig gerechtfertigt und bin also höchst verwundert, als er nach meinem Logis fragt. Ich will ihn kurz abweisen, komme jedoch nicht dazu, und erfahre im Laufe des Gesprächs, wer er ist. Denke dir den entsetzlichen Schreck, den ich bekam. So einen Mann für einen Strolch anzusehen, und auf diese beleidigende Weise zu empfangen. Natürlich suchte ich mein Vergehen schleunigst wieder gutzumachen, aber es ist beinahe zu groß, als daß er es mir verzeihen könnte.“
    In diesem Augenblick erscholl die Glocke, und das Mädchen trat herein.
    „Master Forster bringt die Speisekarte, Ma'am. Soll er herein?“
    „Natürlich, sofort, stets, wenn er kommt; merke dir das für immer, Sarah!“
    Marga blickte sich um, als suche sie ein Versteck, hinter welchem sie sich verbergen könne; es war zu spät, denn der Angemeldete stand bereits unter der Tür. Ein Freudenblitz zuckte über sein Gesicht, als er sie erblickte, doch

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