42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Steines durch den Katheterbohrer! Wahrhaftig, ich beginne zu glauben, daß diese Ignoranten Ihnen nicht aus Vorbedacht, sondern aus Unwissenheit das Leben genommen hätten.“
Francas stieß ein verächtliches Lachen aus und antwortete:
„Sie irren, Señor! Das Märchen von der Katheterzange kannten wir bereits vor Ihnen; aber es ist eben nur ein Märchen, an welches nur ein vollständig Unfähiger zu glauben vermag. Mit einem Unfähigen aber streitet man sich nicht. Der Graf mag entscheiden, wer dieses Zimmer augenblicklich zu verlassen hat, er oder wir.“
„Solange ich zu handeln vermag, werde ich mich nur der Entscheidung meines Gewissens fügen“, meinte Sternau. „Ich bemerkte bereits, daß Seine Erlaucht kein Chirurg sind. Vielleicht entscheidet er sich für den Weg, der ihm das Leben kostet, und das werde ich nicht dulden, selbst wenn ich für meine Überzeugung mein eigenes Leben einsetzen müßte.“
Da erhob sich der Graf. Er winkte gebieterisch mit der Hand und sprach:
„Señores, es ist hier nicht der Ort zu einem solchen Streit; Sie können sich also entfernen, um später meine Entscheidung zu vernehmen. Ihre Ansichten kenne ich; ich habe nun auch noch diejenigen von Señor Sternau zu prüfen. Er wird also hierbleiben, um mir dieselben darzustellen. Gehen Sie jetzt, Sie werden das weitere bald erfahren.“
„Das heißt, wir sind verabschiedet?“ grollte Francas zornig. „Wir sind entlassen? Gut, wir gehen; aber dieser Fremde wird uns Genugtuung geben, und Sie, Erlaucht, bitten wir, sich vorher sehr zu bedenken, ehe Sie sich entscheiden.“
Sie packten ihre Instrumente zusammen und verließen das Zimmer. Sofort trat Rosa ein. Sie warf sich ungestüm an den Hals des Grafen und jubelte:
„Gerettet! Mein Vater, ich danke dir!“
Er wehrte sie leise von sich ab, doch ohne sie ganz aus den Armen zu lassen, und meinte:
„Nicht so sanguinisch, mein Kind! Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Ich habe erst noch die Ansicht von Señor Sternau zu prüfen.“
„Oh, sie wird die einzig richtige sein!“ rief sie. „Du darfst ihm all dein Vertrauen schenken.“
Ihre Augen strahlten dem Deutschen so voll und warm entgegen, daß ihm dieser Blick wie ein Sonnenlicht bis in das tiefste Herz drang, und er bat mit bewegter Stimme:
„Erlaucht, haben Sie Vertrauen zu mir! Gott weiß es, wie wahr und ehrlich ich es mit Ihnen meine. Verzeihen Sie aber zugleich auch die Härte, mit welcher ich zu diesen Männern sprach. Ich war vollständig empört über den Leichtsinn, der Ihr teures Leben gefährdete. Wäre die Operation wirklich vorgenommen worden, so lebten Sie nicht mehr; das schwöre ich Ihnen bei Gott, dem Allwissenden.“
Jetzt öffnete sich die Tür, und Graf Alfonzo kam hereingestürmt. Er hatte bis jetzt draußen mit den Ärzten verhandelt und kam nun, voller Ärger und Enttäuschung, um womöglich seinen finsteren Zweck noch zu verfolgen.
„Sie gehen? Du jagst sie fort, Vater?“ fragte er. „Ist das möglich?“
„Ich jagte sie nicht fort, mein Sohn“, antwortete der Graf. „Ich habe sie gebeten, mir Zeit zur Prüfung zu lassen.“
„Ich hoffe, daß deine Entscheidung diese verdienten Männer berücksichtigt!“
„Meine Entscheidung wird eine gerechte sein. Für jetzt aber bitte ich, diesen unerquicklichen Gegenstand vollständig fallenzulassen.“
Alfonzo mußte gehorchen, und der Graf wandte sich an seine Tochter:
„Denke dir, dieser Señor hat auch meine Augen untersucht!“
Sie blickte in schneller, freudiger Überraschung empor.
„Wirklich?“ fragte sie. „Hatten Sie Grund zur Hoffnung? Hielten Sie die Erblindung noch einer Untersuchung für wert, Señor?“
„Allerdings, Señora. Ich habe ungemein viele Blinde behandelt, und die Übung schärft das Auge, so daß man beinahe auf den ersten Blick ein vollständig hoffnungsloses Auge von einem solchen, welches einer Besserung noch fähig ist, zu unterscheiden vermag.“
„Und was haben Sie bemerkt?“
„Daß auch hier die Ärzte unrecht hatten.“
Sie sprang auf. Auch der Blinde erhob mit einer freudig überraschten Bewegung den Kopf, während Graf Alfonzo einen giftigen Blick kaum zu verbergen vermochte.
„Wie meinen Sie das?“ fragte der Graf. „O bitte, bitte, sagen Sie es!“
„Erlaucht, hat man Sie für unheilbar erklärt?“
„Allerdings. Und zwar waren es ganz entschieden Männer der Wissenschaft, welche dieses Urteil fällten.“
„Welches ist das Übel, an dem Sie nach diesem Urteil
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