42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Verlobung und dann Hochzeit! Und diese beiden werden hier auf Rheinswalden gefeiert. Das will ich mir ausbitten, Cousin! Verstanden?“
„Oh, bis dahin wird es noch weite Wege haben!“ meinte Sternau, glücklich lachend.
„Weite Wege? Was reden Sie da für Unsinn! Sie haben sie den spanischen Halunken abgerungen, Sie haben sie dem Tod und dem Wahnsinn abgerungen, was soll es da noch weiter geben! Sie ist die Ihrige, sie gehört Ihnen mit Haut und Haar. Ich möchte den sehen, der das nicht einsieht!“
„Die Behörden werden ein Wort mitreden wollen, lieber Herr Hauptmann!“
Da meinte der Staatsanwalt:
„Die Behörden überlassen Sie mir, Herr Doktor. Wir werden diese Angelegenheit noch weiter besprechen; für jetzt aber bitte ich Sie dringend, mich der Gräfin vorzustellen. Ich habe sie wahnsinnig gesehen, und ich bin geradezu auf das äußerste gespannt, ein schriftliches Gutachten vervollständigen zu können.“
„Ich werde sie holen.“
Er erhob sich und ging.
Als er nach kurzer Zeit mit Rosa wiederkehrte, waren die beiden Männer geradezu geblendet von der unvergleichlichen Schönheit der herrlichen Erscheinung.
Der Hauptmann stieß einen kernigen Fluch aus, unterdrückte ihn aber zur Hälfte wieder.
Auch der Blick des Staatsanwaltes leuchtete. Er hatte sie in marmorner Schönheit im Gebet auf dem Boden knien sehen; jetzt erblickte er sie, umleuchtet von geistigem Leben und umweht von jenem Odem, welcher der Hauch der echten, reinen, hinreißenden Weiblichkeit ist. Beide standen vor ihr wie untertänige Vasallen vor ihrer Herrscherin, und dieses Gefühl verließ sie auch nicht eher, als bis sie sich verabschiedet hatte und wieder nach ihrem Zimmer zurückgekehrt war.
„Himmeldonnerwetter!“ rief nun der Oberförster. „Sternau. Doktor, Cousin, wenn Sie nicht innerhalb der nächsten vierzehn Tage ihre Verlobung machen, so heirate ich sie Ihnen vor der Nase weg, so wahr ich Rodenstein heiße. Verlassen Sie sich darauf, ich halte Wort!“ –
SIEBENTES KAPITEL
Die Zingarita
„O gräme nie ein Menschenherz;
Der Gram geht bis aufs Blut,
Und all den Kummer, all den Schmerz
Machst du nie wieder gut!
O mach, daß keine Träne hier
Ein Aug' um dich vergießt –
Weißt du, daß diese Träne dir
Ein schwerer Mahnruf ist?
O sorge, daß kein Herzeleid
Du hier verschulden magst,
Es kommt die Stund', es kommt die Zeit,
Wo du es tief beklagst!“
Es war mehr als zwanzig Jahre vor den Ereignissen, welche bisher erzählt worden sind. Man feierte in Saragossa den Beginn des Karnevals. In dieser Zeit ist der sonst so ernste und steife Spanier ein vollständig anderer. Er stürzt sich mit fast wilder Lust in den Strudel der Freuden und Vergnügungen hinein; er taucht darin unter, sogar bis auf den schmutzigen Schlamm des Grundes und kommt erst dann wieder zur Höhe zurück, wenn das Vergnügen bis auf die Neige ausgekostet ist.
Einer der prächtigsten Paläste der Stadt, fast ganz aus carrarischem Marmor errichtet und wegen der Pracht seiner inneren Einrichtung altberühmt, gehörte dem Herzog von Olsunna. Dieser Don, ein Mitglied des höchsten Adels und einer der reichsten Grundbesitzer des Landes, zählte erst vierundzwanzig Jahre und war doch bereits Witwer und Vater eines kleinen, reizenden Mädchens im Alter von drei Jahren. Er hatte aus Familienrücksichten die Tochter eines der angesehensten Häuser geheiratet, ohne sie zu lieben, und – fühlte sich keineswegs betrübt, als sie bei der Geburt dieses Kindes starb.
Er galt als ein strenger Katholik, eifriger Patriot und stolzer, finsterer Aristokrat. Viele aber wollten behaupten, daß er den Freuden des Lebens keineswegs abgeneigt sei und sich im verborgenen manchen Genuß bereite, von welchem er seinem Beichtvater nicht das mindeste mitteilte. Seine Freunde suchten ihn – seiner Stellung und seines Einflusses wegen; seine Feinde haßten ihn, und seine Umgebung, seine Dienerschaft fürchtete ihn und zitterte vor ihm.
Nur ein einziger Beamter seines Hauses war es, der ihn nicht fürchtete, nämlich der Haushofmeister Gasparino Cortejo, der ungefähr in gleichem Alter mit ihm stand. Einen Menschen, dem er sich nahestellt, muß ein jeder haben, und der Herzog fand, daß sein Haushofmeister ein verschwiegener Charakter sei, dem man Vertrauen schenken könne. Den anderen gegenüber behandelte er ihn seiner Stellung gemäß. Unter vier Augen jedoch wurde die Dehors beiseite geschoben, und die beiden verkehrten
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