43 - Der Triumph von Scorpio
das letzte überlebende Mitglied ihrer Familie«, meinte Delia.
Wer konnte schon sagen, in welchem Umfang Satra längst Bescheid gewußt hatte? Wie schon öfters angemerkt, können hohe Ämter und fast grenzenlose Macht Menschen für Realitäten blind machen. Satra war sehr stolz auf ihre Abstammung und würde mit fanatischer Entschlossenheit darum kämpfen, daß der Thron nach ihrem Tod in der Familie blieb. Sollte es Licrias Tochter sein, würde es ihr gefallen. Ich wollte es gerade sagen, als Delia meinte:
»Man wird Licria verheiraten und ihre Tochter erziehen. Was das kleine Leem-Weibchen angeht – nun, man sollte Mitleid mit ihr haben.«
»Mitleid?« stieß Mevancy hervor, die bis jetzt ruhig da gesessen und mit dem Weinglas gespielt hatte.
Sie war wieder knallrot im Gesicht und ließ ihren Gefühlen freien Lauf.
»Sie hatte ihre Chance, aber sie hat sie verspielt«, sagte Delia sanft.
»Ja«, erwiderte Mevancy langsam. »So gesehen hast du sicher recht.«
»Genau«, sagte ich. »Gut gemacht, Caspar. Jetzt können wir nach Makilorn.«
»Ich habe ... andere Pläne.«
Caspar der Spitzer diente den Herren der Sterne als Kregoinye. Falls er andere Pläne hatte, warteten die Everoinye mit einem neuen Auftrag auf ihn.
»Natürlich, Caspar.« Delia lächelte. »Vielen Dank.«
Das Nachtmahl hätte eigentlich eine fröhliche Angelegenheit sein müssen, denn wir hatten eines unserer dringendsten Probleme gelöst. Doch ich hatte den Eindruck, daß die guten Freunde, die sich um den Tisch versammelt hatten, nicht in der richtigen Stimmung waren. Nath Karidge war eingeladen worden, und er ließ sich von der Atmosphäre anstecken. Er erzählte mir, er habe Deb-Lu gebeten, sich mit Vallia im Verbindung zu setzen, damit man uns für die ELH Flugboote schickte.
»Der Herrscher Drak schickt uns freundlicherweise genug Flieger, um das ganze Regiment zu transportieren. Ich mache mir aber Sorgen ...«
»So?«
»Aye, Jis. Angenommen, Königin Satra beschlagnahmt sie?«
»Ein triftiges Argument, Nath. Ein geheimer Landeplatz?«
»Das wäre die beste Möglichkeit.«
Er lächelte sein Beau Sabreur-Lächeln und ich wußte, daß er die Sache in die Hand nehmen würde.
Trotzdem war Satras Gier nach Voller eine weitere unerwünschte Komplikation in unserem ohnehin schon komplizierten Leben. Die berühmten Zauberer aus Walfarg in Loh hatten zwei Probleme nicht lösen können. Erstens: die Umwandlung von Blei in Gold. Zweitens: die Grundlagen des Fliegens. Geschichten über fliegende Teppiche waren auf Kregen weit verbreitet; natürlich unterschieden sie sich etwas von den entsprechenden irdischen Märchen. In einem Land, das Flugboote kennt, waren fliegende Teppiche unnötig, es sei denn, sie wären billig für die Massen erhältlich gewesen. Es war unbestritten, daß einige Zauberer sich selbst und ihre Anhänger in die Luft erheben konnten; bestimmte Ereignisse schienen diese Theorien zu unterstützen. Doch im allgemeinen blieben die Grundvoraussetzungen des Fliegens ein Geheimnis. Natürlich war ich fest davon überzeugt, daß Carazaar auf magische Weise flog, anstatt sich eines Mechanismus zu bedienen, der auf den Silberkästen der Voller basierte.
»Bei den in Seide gehüllten Beinen der Dame Diwina!« rief Delia. »Rollo, sing für uns und heitere uns auf!«
Also sang er ein Liedchen mit dem Titel ›Das süß fließende Wasser‹, das Pitir Ng'gland aus Ng'groga vor fünfhundert Perioden komponiert hatte. Danach sangen wir ›Zu den Waffen‹, ›Die Bettstatt der Tochter des Ponsho-Hirten‹ und andere unserer Lieblingslieder. Als wir alle »Keine Ahnung, keine Ahnung, keine Ahnung« schmetterten, hatten wir uns in bessere Laune gesungen.
Als wir uns für die Nacht zurückzogen, sagte Deb-Lu: »Satras Bankett wird bestimmt interessant.«
»Sie wird in Höchstform sein«, prophezeite Delia lächelnd.
»Übrigens, Nath«, sagte ich und sprach etwas an, über das ich mir den Kopf zerbrochen hatte. »Es überrascht mich, daß Drak Voller von dem Feldzug in Pandahem entbehren kann.«
»Der ist so gut wie beendet, Jis. Yumapan und Lome kamen uns zu Hilfe, und das verdammte Menaham bezog eine ordentliche Tracht Prügel, aye, bei Lasal dem Vakka!«
»Die Königin Lush?«
»Wie man hört, mischt sie sich noch immer in alles ein ... Du weißt, was ich meine, Jis.«
Zu meinem Erstaunen mußte ich lachen. »Ich weiß.«
»Am Ende traf sie eine kluge Entscheidung. Sie setzte einen Adligen aus Yumapan ein, um die
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