43 Gründe, warum es AUS ist
kennst ihn schon?«
»Nur zum Teil. Ist aber lange her.«
»Na ja, dann gucken wir ihn eben auf dem Laptop.«
»Ist schon gut.«
»Oh.«
»Ich meine – vielleicht.«
»Und hier gibt’s Erdbeeren«, sagtest du und zaubertest eine Tupperdose aus deinem Rucksack hervor. An alles hat er gedacht, dachte ich.
»Wo findet man denn Erdbeeren im November?« Ich ging damit ins Bad, um sie abzuwaschen.
»In der Nosson Street gibt’s so einen Laden. Der hat aber nur mittwochmorgens um vier offen. Für zehn Minuten.«
»Hör auf.«
»Ich liebe dich.«
Ich sah mich in dem angelaufenen Spiegel. »Ich liebe dich auch.«
Als ich aus dem Bad kam, hattest du irgendwas mit dem Licht gemacht. Die Bettdecke war allerdings immer noch hässlich, daran ließ sich nichts ändern. Ich stellte die tropfenden Erdbeeren ab. Deine Schultern zuckten unter deinem T-Shirt. Ich konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen, so schön sind sie. Außergewöhnlich. Ich habe dir in die Augen gesehen, die weit offen waren und leuchteten vor Zärtlichkeit und Schalk und Lust. Lust auf mich. Umgekehrt ging es mir ja genauso. Du glaubst es nicht, was für ein Gefühl ich in dem Moment hatte. Das hätte man nicht filmen können, nicht einfangen können. Eigentlich war so was gar nicht möglich – und trotzdem. Es passierte. Ich kickte meine Schuhe weg, und dabei musste ich mir auf die Unterlippe beißen, sonst hätte ich gelacht. Ich musste an etwas denken, was ich oft von eurem Coach gehört hatte, wenn ich euch beim Training zusah. Okay, Leute, sagte er gern , auf geht’s.
Teufel auch, hast du gesagt, daran erinnere ich mich. Und ich musste lächeln, weil du mich gar nicht anleiten musstest, wie ich mir das vorgestellt hatte, jedenfalls viel weniger. Manches konnte ich von ganz allein. In manchen Sachen war ich richtig gut.
»War es dieses Mal besser?«, hast du gefragt.
»Man hört ja immer, dass es wehtut.«
»Ich weiß«, sagtest du und streicheltest mich mit beiden Händen. »Aber, was ich meinte, war wohl: Wie ist es für dich?«
»Als wollte man sich eine ganze Grapefruit auf einmal in den Mund stopfen.«
»Du meinst, es ist eng?«
»Nein«, sagte ich. »Ich meine, es passt nicht. Hast du je versucht, eine ganze Grapefruit in den Mund zu bekommen?«
Das war das Beste: dass wir zusammen lachen konnten.
Und dann, am späten Abend, kriegten wir Hunger, weißt du noch? »Zimmerservice?«, habe ich gefragt.
»Besser nicht zu hoch pokern«, hast du geantwortet und nach einem Telefonbuch gesucht. »Wir zahlen lieber bar. Pizza.«
»Pizza!« Sofort verspürte ich Heißhunger darauf. Mein erstes Essen als Erwachsene, dachte ich unwillkürlich, und was will ich? Kinderkram!
Als der Bote kam, habe ich mich verschämt im Bad versteckt. Du hast dich völlig normal mit dem Typen unterhalten und sogar über irgendwas gelacht, so als wäre alles total normal, während du da in der Tür standest, in T-Shirt und Boxershorts, und die Pizzakartons mit dem Wechselgeld obendrauf entgegennahmst. Ich kauerte derweil neben dem Waschbecken und kämmte mir mit diesem Ding hier durch die Haare. Ich kam mir vor wie ein Fahrrad oder ein Hund, irgendwo angebunden, während der Besitzer ganz entspannt irgendwo plaudert und mich völlig vergessen hat. Das war es, begriff ich auf einmal, diese totale Lockerheit, deine Lockerheit und dein souveränes Auftreten, die stanken mir wirklich. Ich griff mir den Kamm und das Kärtchen von der Handtuchstange, so als wollte ich peinliche Beweise verschwinden lassen. Ich selbst hatte noch nie solche Gefühle gehabt wie hier mit dir, aber du hattest das alles schon öfter erlebt.
Gleich bei meinem ersten Biss in die Pizza spritzte mir Soße auf mein Top, und ich musste es ausziehen, so sehr sah der Fleck nach Blut aus. Du hast mir das hier gegeben, noch einer von den erstaunlich vielen Gegenständen in deinem schier unerschöpflichen Rucksack. Ich habe darin geschlafen, erst neben dir und seitdem in vielen Nächten zu Hause; so lange hatte ich es am Körper, dass es sich anfühlte, als wäre ich in dir, als streckte ich mich in deinen langen Beinen aus und kuschelte mich in deiner Brust zusammen, nahe bei deinem Herzschlag. Was uns vielleicht wieder auf Augenhöhe brachte. Trotz Mundgeruchs und der im Tageslicht noch hässlicheren Bettdecke küssten wir uns beim Aufwachen zärtlich. Aber dann mussten wir uns auch schon beeilen, damit wir noch irgendwo einen Kaffee
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