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43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

Titel: 43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den Advokaten Gasparino Cortejo in Manresa oder Rodriganda kannte und hier diesen Sekretär in Mexiko erblickte, der würde über die Ähnlichkeit beider erstaunt gewesen sein – und wirklich: Der Sekretär hieß Pablo Cortejo und war der Bruder des Advokaten Gasparino Cortejo.
    Er schien sich gegenwärtig in keiner rosigen Laune zu befinden. Seine lange, hagere Gestalt war demütig zusammengeknickt; seine bleichen, schmalen Lippen preßten sich unmutig nach innen, und aus seinen kleinen Augen funkelte zuweilen unbemerkbar, aber desto giftiger ein Blick zu dem Grafen hinüber, der mit gerunzelten Brauen auf die Papiere schaute.
    „Wahrlich, das ist nicht gut“, sagte Don Ferdinando, „das kann ich nicht billigen!“
    „Junges Blut hat keine Tugend, Erlaucht!“ entgegnete Cortejo entschuldigend.
    Der Graf sah ihn ernst an und antwortete:
    „Oh, ich denke, daß junges Blut zwar rauscht und schäumt, aber doch auch Tugend besitzen muß. Und ist das Tugend, was ich hier sehe?“
    „Es ist eine kleine Schwäche!“
    „So, Ihr nennt es also eine kleine Schwäche, wenn mein Neffe an einem einzigen Abend zwölftausend Pesos im Spiel verliert?“
    „Er hat auch oft ähnliche Summen gewonnen, Don Ferdinando.“
    „Ah, also spielt er oft? Also ist er ein Gewohnheitsspieler?“ fragte der Graf in zorniger Verwunderung. „Ich werde ihm die Zügel kürzen lassen.“
    Er blätterte weiter.
    „Was ist das?“ fragte er. „Ist diese Angelegenheit nicht geordnet worden?“
    „Don Alfonzo hat die Summe, die Sie ihm dazu gewährten, anderweitig verwenden müssen.“
    „Wozu?“
    „Er hat mir das nicht mitgeteilt; er ist mir ja keine Rechenschaft schuldig.“
    „Rechenschaft allerdings nicht“, sagte der Graf, „aber ich glaube, er könnte es Euch so im Vertrauen mitgeteilt haben. Es will mir überhaupt scheinen, als ob mein Neffe Euch mehr Vertrauen schenkte als mir.“
    „Oh, Don Ferdinando, das scheint nur so! Ich erfreue mich allerdings einigen Vertrauens von Seiten Don Alfonzos, aber –“
    „Und als ob Ihr“, fuhr der Graf mit scharfer Stimme fort, „von diesem Vertrauen nicht den rechten Gebrauch machtet!“
    „Erlaucht!“
    „Schon gut. Wenn mein Neffe in so vielen Stücken nicht mein Wohlgefallen besitzt, so seid Ihr allein es, auf den ich die Schuld zu schieben habe. Wollt Ihr etwa nach so langjähriger Dienstzeit entlassen werden?“
    Die Brauen des Sekretärs zogen sich wie drohend zusammen, nahmen aber im nächsten Augenblick wieder einen gewöhnlichen Ausdruck ein. Und auch die Antwort erklang im untertänigsten Ton:
    „Darf ich mir vielleicht die Ansicht erlauben, daß Durchlaucht sich irren?“
    „Ich irre mich nicht“, sagte der Graf streng. „Warum liegt mein Neffe während des ganzen Tages bei Euch? Warum seid Ihr bei ihm, sobald ich Eurer bedarf? Ihr wißt, daß ich nicht gern und nicht viel spreche, wenn ich aber einmal rede, so weiß ich auch, was ich sage. Warum entschuldigt Ihr seine Leidenschaft für das Spiel?“
    „Andere junge Herren tun auch so.“
    „Das ist für ihn kein Grund, mein Geld zu vergeuden. Und warum gibt er Wechsel mit meiner Unterschrift?“
    „Ein kleiner Zufall, Erlaucht!“
    „Was!“ brauste der Graf auf. „Das nennt Ihr einen Zufall? Ist der Kredit meines Neffen so gefallen, daß man seine Wechsel nicht mehr honoriert, sondern meinen Namen verlangt? Wer hat meinen Namen auf das Papier gesetzt, er oder Ihr?“
    „Er.“
    „Er soll es zum letzten Mal getan haben. Und auch Ihr werdet niemals wieder ein Blankett von mir in die Hand bekommen. Hier die letztere Angelegenheit“ – der Graf deutete auf einen der Briefe – „war meinerseits mit fünftausend Piaster beigelegt. Wem habe ich diese Summe gegeben?“
    „Mir“, antwortete der Sekretär in kleinlautem Ton, aber mit kochendem Blut.
    „Wozu?“
    „Ich sollte sie dem Mädchen auszahlen.“
    „Jetzt sagt Ihr, daß mein Neffe sie anderweit verwenden mußte, so habt Ihr also ihm das Geld gegeben?“
    „Er bat mich darum.“
    „Ach so! Der Wunsch des leichtsinnigen Neffen gilt mehr als der Befehl des Oheims, in dessen Dienst Ihr steht! Ich werde meine Maßregeln ergreifen müssen, um mir Gehorsam zu verschaffen. Verstanden?“
    Der Graf nahm die anderen Skripturen, eine nach der anderen, auf, um sie durchzulesen. Da plötzlich schoß ihm ein dunkler Blutstrom in das aristokratisch bleiche Angesicht; es war die Röte der Scham und der Entrüstung. Er sprang empor und trat dem Sekretär mit

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