43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
blitzendem Auge entgegen.
„Wißt Ihr, wo Alfonzo sich jetzt befindet?“ fragte er.
„Auf der Hacienda del Erina.“
„Weshalb?“
„Das entzieht sich meiner Kenntnis.“
„Oh, ich wußte es auch nicht, weshalb er auf einmal eine so plötzliche Sehnsucht nach der fernen Hacienda verspürte und warum Ihr die Erfüllung dieser Sehnsucht befürwortetet; jetzt aber sehe ich klar!“
Der Sekretär war doch bleich geworden. Der Graf aber schritt in höchster Erregung im Zimmer auf und ab, dann wandte er sich plötzlich um und fragte:
„Was ist es mit dem Duell?“
„Mit welchem Duell?“ fragte der Sekretär mit der unschuldigsten Miene.
„Cortejo!“ donnerte ihn der Graf an.
„Ich weiß wirklich nichts!“
„Gut! Aber Ihr täuscht mich nicht. Wenn Ihr nicht redet, seid Ihr augenblicklich entlassen. Entschließt Euch kurz!“
Cortejo sah sich in die Enge getrieben. Er konnte nicht weichen und entgegnete also in bittendem Ton:
„Verzeihung, Don Ferdinando! Don Alfonzo hat mir das strengste Schweigen anbefohlen.“
„Wer hat Euch zu befehlen, ich oder mein Neffe? Heraus mit der Sprache!“
„Don Alfonzo ging nach der Hacienda, um einem Streit auszuweichen.“
„Erklärt Euch deutlicher. Graf Embarez schreibt mir hier folgendes:
‚Don Ferdinando!
Ich ersuche Euch, Euren Neffen zu veranlassen, heute über acht Tage auf dem Rendezvous zu erscheinen. Die Zeit ist bereits seit drei Wochen um. Eine solche Angelegenheit erlaubt keine Minute Aufschub. Ist Don Alfonzo nicht zur angegebenen Zeit zur Stelle, so werde ich den Fall ohne alle weitere Rücksicht im ‚Diario oficial‘ und in ‚La Sociedad‘ veröffentlichen. Ich hoffe, daß Euch mehr an der Ehre Eures Hauses als an einem Fetzen Haut Eures Neffen gelegen ist.
Almanzo, Graf Embarez.‘“
„Nun sagt, wie es steht! Liegt etwa eine Forderung zum Duell vor, wie ich nach dem Wortlaut dieser ehrenrührigen Epistel schließen muß?“
„Der Graf hat Don Alfonzo beleidigt.“
„Ah, und mein Neffe hat ihn gefordert?“
„Nein. Der Graf hat Don Alfonzo gefordert.“
„So ist es umgekehrt, mein Neffe hat ihn beleidigt. Gebt Euch um Gottes willen keine Mühe, auch diese Sache zu bemänteln. Hat mein Neffe die Forderung angenommen?“
„Er mußte.“
„Ah! Er mußte! Das heißt, eigentlich wäre er feig genug gewesen, sie nicht anzunehmen! Welch eine Schande! Wo ist das Rendezvous?“
„Am Ufer des Sees von Tezcuco.“
„Und Alfonzo ist nicht erschienen?“
„Graf Embarez ist als der gewandteste Fechter und Schütze bekannt und gefürchtet“, entgegnete der Sekretär mit sichtbarer Verlegenheit.
Da fuhr der Graf mit der Hand nach dem Herzen, es war ihm, als ob er einen Stich in dasselbe bekommen hätte.
„Barmherziger Gott!“ stöhnte er. „Mein Neffe ein solcher Feigling! Meine Ehre ist vernichtet. Er hat eine Forderung akzeptiert und ist aus Angst geflohen! Der Name Rodriganda ist befleckt und geschändet für ewige Zeiten, wenn nichts geschieht, um ihn zu retten.“
Er wanderte abermals im Zimmer auf und ab, dann blieb er stehen und sagte:
„Hört, was ich Euch befehle! Es gehen sofort zwei Kuriere nach der Hacienda ab.“
„Zwei?“
„Ja, damit die Botschaft sicher läuft. Sie haben meinem Neffen zu sagen, daß er sogleich nach Mexiko komme. Hört Ihr? Sogleich!“
„Erlaucht wollen bemerken, daß er binnen drei Tagen unmöglich hier sein kann!“
„Ich weiß das. Ich werde nachher zu dem Grafen fahren und ihm mitteilen, daß ich die Angelegenheit im Namen meines Sohnes ausfechten werde. Nach dem Wortlaut des Briefes hat Alfonzo sich für Säbel entschieden?“
Über das Gesicht des Sekretärs zuckte ein freudiger Blitz.
„Ja“, antwortete er.
„So feig und doch so unvorsichtig. Hätte er Pistolen auf weite Distanz genommen, so brauchte er nicht auszureißen. Geht jetzt schnell und sendet mir die alte Maria Hermoyes.“
Der Sekretär ging, es war ihm, als sei er aus der Hölle erlöst worden. Nach einiger Zeit trat eine alte Frau von sehr würdigem Äußeren bei dem Grafen ein. Sie verneigte sich ehrerbietig und blieb an der Tür stehen.
„Tritt näher, Maria, und setze dich!“ empfing sie Don Ferdinando im leutseligsten Ton, denn die alte Maria Hermoyes war als die treueste Dienerin des Hauses bekannt und wurde als solche vom Grafen behandelt.
Er schritt noch immer im Zimmer auf und ab, es kostete ihm Mühe, seinen Zorn zu besiegen oder zu verbergen. Endlich sagte er:
„Maria, du bist mir treu.
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