43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
bleiben oder nicht. Aber ich wünsche, daß er gerächt werde an dem, der ihn erschlagen wollte!“
„Er wird gerächt; ich habe es geschworen“, versicherte der Mixteka, und auch der Apache wiederholte diese Worte.
Da hörte man das Getrabe von Pferden im Hof. Emma trat an das Fenster.
„Der Arzt!“ sagte sie. „Oh, nun werden wir sogleich hören, was wir zu hoffen und zu befürchten haben.“
Es dauerte gar nicht lange, so brachte der Haziendero den Arzt in das Zimmer. Dieser ließ sich alles genau erzählen und trat dann an das Bett, um den Kranken zu untersuchen. Letzterer verzog während der Untersuchung das Gesicht zwar außerordentlich schmerzlich, gab aber keinen Laut von sich. Er hielt selbst in der geistigen Gestörtheit an dem Grundsatz fest, daß man den Schmerz beherrschen müsse. Als der Arzt ihn fragte:
„Wer sind Sie, Señor?“ antwortete er mit unendlicher Trauer: „Ich weiß es.“
„Und wie heißen Sie?“
„Das ist mir unbekannt.“
„Kennen Sie nicht den Señor Helmers?“
„Ich kenne ihn; aber ich bin erschlagen worden.“
„Wo befindet er sich jetzt?“
„Ich weiß es nicht.“
„Wer hat Sie denn erschlagen?“
„Ich weiß es nicht.“
„Und wo wurden Sie erschlagen? Wissen Sie das auch nicht?“
„O ja; aber ich bin erschlagen worden.“
So beantwortete der Kranke jede an ihn gerichtete Frage. Er behauptete, alle zu kennen und alles zu wissen, aber er kannte niemand und wußte nichts weiter, als daß er erschlagen worden sei. Der Arzt schüttelte den Kopf.
„Es ist ein Schädelbruch vorhanden“, versetzte er, „aber ich kann nichts zu seiner Heilung tun. Das Wundkraut, daß Sie angelegt haben, ist das einzige, was helfen kann. Wenn der Bruch zuheilt, kommt ihm vielleicht die Erinnerung wieder. Darum darf man nicht denken, daß alles verloren sei.“
Als er mit den anderen das Zimmer verlassen hatte, warf sich Emma neben dem Kranken auf die Knie, erfaßte seine Hände und fragte:
„Kennst du mich wirklich nicht, Antonio?“
„Ich kenne dich“, antwortete er.
„So nenne mich beim Namen, oh, nur ein einziges Mal!“
„Ich weiß den Namen nicht.“
„Hast du mich lieb?“
„Ich habe dich lieb!“
„Sehr?“
„Sehr!“ beteuerte er mit dem Ausdruck der Trauer im Angesicht.
„Oh, ich werde dich nicht verlassen, auch wenn du immer krank bleibst!“
„Ich bin nicht krank; ich bin erschlagen worden!“ sagte er.
Emma schluchzte laut auf, netzte sein Gesicht mit ihren Tränen und trocknete es wieder mit heißen Küssen, die er geduldig entgegennahm, ohne sie zu erwidern.
Drunten im Hof und draußen im Feld wurden jetzt die Leichen der Comanchen zusammengetragen, um auf Pferde gebunden und nach dem Teich der Krokodile geschafft zu werden. Alles, was sie bei sich getragen hatten, überließ der Haziendero seinem Gesinde. Als die Transportpferde eingefangen, aneinandergebunden und mit ihrer Menschenlast beladen worden waren, bildeten sie einen langen Zug.
Von der großen Zahl der Comanchen lebten nur noch sechs, und auch diese konnten nicht sagen, ob sie ihre Jagdgründe wiedersehen würden. Die Alligatoren aber hatten nach so langer Fastenzeit einen gräßlichen Überfluß, denn die in den Teich geworfenen Leichen brachten diesen fast zum Überlaufen. Es bedurfte langer Zeit, ehe die Bestien diesen Fraß zu bewältigen vermochten, und es konnten wohl Wochen vergehen, ehe eine menschliche Lunge die Atmosphäre der Tempelruinen wieder einzuatmen vermochte.
DRITTES KAPITEL
Lebendig begraben
„Trau nicht dem heitren Sonnenlicht,
Das mild hernieder leuchtet,
Und trau der Tauesperle nicht,
Die den Flur befeuchtet!
Hast du denn nicht des Donners Hall
Von weitem schon gehöret?
Bald wird der Tau zum Wogenschwall,
Der Feld und Fluß zerstöret.
Trau nicht dem Menschenangesicht,
In dem du Treu' gelesen,
Und trau auch selbst dem Freunde nicht,
Der dir stets lieb gewesen!
Es kann wohl über Nacht schon sein,
So wird der Freund zum Feinde;
Es war die Liebe ja nur Schein,
Die ihn mit dir vereinte.“
In Mexiko, der Hauptstadt des alten Aztekenreiches, stand in der Nähe des Paseo einer der reichsten Paläste, den die Stadt Montezumas aufzuweisen hatte. Und dieser Palast gehörte einem der bedeutendsten Großgrundbesitzer des Landes, nämlich dem Grafen Ferdinando de Rodriganda y Sevilla.
Dieser saß in seinem Arbeitskabinett, umgeben von allem Luxus eines exotischen Landes, und ging die Rechnungen durch, die ihm sein Sekretär vorgelegt hatte.
Wer
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