44 - Die Intrige von Antares
Tonbandkassetten langsam drehen, schon die ganze Zeit über wegen meiner Blindheit verzweifelt die Hände. Nun, zu meiner Verteidigung kann ich nur sagen, daß ich die ganze Zeit über damit beschäftigt gewesen war, mich zu ducken und zur Seite zu springen, um den vielen Schwerthieben zu entgehen und den Kopf nicht von den Schultern zu verlieren – von den Köpfen anderer ganz zu schweigen, bei Krun! Jetzt war alles so offensichtlich. Der arme Strom Korden, der in dem schrecklichen Bewußtsein sterben mußte, bei seiner Mission für den König versagt zu haben, hatte es sich nicht leisten können, kostbare Worte zu verschwenden. Und so hatte er mit dem letzten Atemzug noch versucht, dem fremden Kämpfer, der sich über ihn beugte, die ungeheure Wichtigkeit einzuhämmern, die diese Mission für ganz Tolindrin hatte.
»Nimm das Schwert und übergib ...«, hatte er noch hervorstoßen können. »Nimm das Schwert, und zwar mitsamt ...«
Weiter war er nicht gekommen. Ich wußte, was er noch hatte sagen wollen. Jetzt wußte ich es.
Sollte das Testament Khon dem Mak oder Ortyg in die Hände fallen, würden sie es ohne zu zögern vernichten, falls ihr Name dort nicht verzeichnet war. Oder sie würden das Testament, was noch wahrscheinlicher war, zu ihren Gunsten fälschen. Die nötigen Leute, für die so etwas ein Kinderspiel war, standen zu ihrer Verfügung. Für Gold zu fälschen ist nicht nur auf der Erde weit verbreitet. Wie dem auch sei, falls das Testament verschollen blieb und man seinen Inhalt nicht öffentlich verkündete, würden die beiden Rivalen ihre Intrigen fortsetzen, und zwar bis zu dem Augenblick, in dem der Krieg ausbrach. Das durfte man nicht zulassen – nicht nur um Vallias, sondern auch um Tolindrins willen.
Mein Gesicht fühlte sich maskenhaft starr an, als hätte man es in hart werdenden Gips getaucht. Keiner dieser turbulenten Gedanken zeigte sich in meinem Ausdruck. Larghos sah mich noch immer stirnrunzelnd an. Und was Kov Brannomar anging, so war dieser noch immer in seinem eigenen inneren Aufruhr gefangen und quälte sich mit dem Gedanken, wo das Testament abgeblieben war, während ihn die Aussicht, was mit seiner Heimat passieren würde, mit Entsetzen erfüllte. In seiner Konzentration hatte er unser Gespräch gar nicht bewußt wahrgenommen, und nun sprach er einen Punkt an, den er im Moment für den wichtigsten hielt. Ich war da anderer Meinung, doch ich widersprach ihm vorerst nicht.
»Majister. Ich verstehe, daß das Testament sowohl für die vallianischen als auch für die tolindrinischen Interessen von entscheidender Bedeutung ist. Tolaar weiß, es muß gefunden werden. Doch du, du agierst hier unter dem Namen Drajak der Schnelle, und ich habe genug über Dray Prescot gelesen, um das verstehen zu können. Wirst du dich nun als Herrscher zu erkennen geben und Tolindrin das Abkommen verweigern?«
»Mein Sohn Drak ist jetzt Herrscher von Vallia. Wie du weißt, nennt man mich den Herrscher aller Herrscher, den Herrscher von Paz. Nun, darüber werden wir uns später unterhalten. Im Augenblick möchte ich Drajak der Schnelle bleiben. Ich möchte, daß du das nicht vergißt, Brannomar.« Die letzten Worte hatte ich mit aller Schärfe gesagt.
»Drajak der Schnelle. Natürlich, Majister.«
Larghos, der mich noch immer anstarrte, sagte: »Sehr gut, Majister.« Er rückte die Schwertgürtel zurecht. »Gehen wir und holen dieses verflixte Testament, damit dieses ganze Durcheinander endlich zu Ende ist, bei Vox!«
»Elten?« fragte Brannomar, der plötzlich gar nichts mehr verstand.
»Oh«, sagte ich, und meine Lippen verzogen sich zu einer Art Lächeln. »Ich möchte nicht, daß Larghos jetzt vor Stolz kaum laufen kann. Doch man hätte ihn kaum zum Mitglied des Diplomatischen Dienstes von Vallia gemacht, wäre er schwer von Begriff.« Ich hatte sowieso nicht vorgehabt, mich weiter darüber auszulassen, doch jedes weitere Wort wurde von dem Dröhnen abgeschnitten, mit dem die heftig aufgestoßene Tür gegen die Wand prallte. Eine seltsame, zusammengekrümmte Gestalt trat ein, die scheinbar in einen Haufen Lumpen gekleidet war und wild mit einem Morntarch herumfuchtelte.
»Schwester«, sagte Brannomar ungerührt. »Du triffst uns in einem unpassenden Moment an. Ist es wichtig?«
Unter der hoch aufgetürmten und zerzausten Haarpracht war ein weibliches Gesicht zu erkennen. Die strahlenden Augen schienen nach innen zu blicken, die spitze Nase schnupperte ununterbrochen, und die Lippen –
Weitere Kostenlose Bücher