45 - Waldröschen 04 - Verschollen
andere Equipagen ein. „Der Oberst und Ravenow“, sagte Platen, welcher auf dem Rücksitz saß und die beiden Insassen der beiden Wagen also sehen konnte. „Sie sind pünktlich wie wir, aber wir werden doch die Ehre haben, zuerst anzukommen. Heinrich, laß dich von denen da hinten nicht ausstechen!“
Der Diener gab den Pferden die Peitsche als Zeichen, daß er seinen Herrn verstanden habe.
Bald darauf ging es zum Halle'schen Tor hinaus und dem Berg zu. Als man an die Brauerei kam, fehlten noch zehn Minuten an Vier. Der Park wurde erreicht; die Kutsche bog in einen Seitenweg ein und hielt endlich an einem freien Platz, welcher von Buschwerk und Bäumen umgeben war. Man stieg aus.
Bald kamen auch die anderen Wagen an. Man begrüßte sich durch ernstes, stummes Kopfnicken. Die Diener wurden als Wachtposten ausgestellt, um jede Störung fernzuhalten, und der Arzt zog sein Besteck und die Bandagen hervor, um sofort bereit zu sein.
Kurt nahm die Decke, und legte sie bei einer alten Fichte auf die Erde.
„Willst du nicht hier Platz nehmen, Röschen?“ fragte er. „Das Gras ist naß; hier stehst du nun trocken und kannst den Platz genau übersehen.“
„Ich danke dir“, antwortete sie, indem sie ihre Füßchen auf die Decke setzte und sich bequem an den Baum lehnte.
Platen und Golzen untersuchten den Platz und teilten Wind und Sonne ab. Sie hatten als Sekundanten die Pflicht, es zu tun. Dann trat Golzen an Ravenows Wagen und brachte die türkischen Säbel hervor.
„Geh, lieber Kurt“, sagte Röschen leise; „Ravenow erwartet dich bereits.“
„Wirst du den Anblick des Blutes ertragen können?“ fragte er besorgt.
„Ich vermute es, denn es wird ganz sicher nicht das deinige sein.“
Ravenow stand bereits bei dem einen der Säbel, welche Golzen an die Erde gelegt hatte; Kurt trat zum andern. Der Oberst und sein Adjutant schritten herbei, um in größerer Nähe Zeuge des Kampfes zu sein. Rittmeister Palm war bei ihnen. Als Ehrenrat hatte er die Verpflichtung, eine Aussöhnung der Parteien zu versuchen, er näherte sich ihnen und fragte:
„Erlauben die Herren, ein Wort zu Ihnen zu sprechen?“
„Ich erlaube es“, antwortete Kurt.
„Aber ich nicht“, rief Ravenow. „Ich bin tödlich beleidigt worden und erkläre, daß ich nichts unterlassen werde, meinen Gegner zu töten. Ein jeder Sühneversuch ist nutzlos. Man kennt meine Bedingungen, und ich weiche um keinen Jota von derselben ab.“
„So habe ich nichts weiter zu sagen. Ich war bereit, den Herrn Rittmeister anzuhören; ich bitte, dies zu bemerken“, erklärte Kurt.
„Wer sich bereitwillig erklärt, zurückzutreten, ist ein Feigling“, sagte Ravenow, indem er den Säbel vom Boden aufnahm. „Laßt es losgehen!“
Auch Kurt nahm seine Waffe auf; er betrachtete sie genau.
„Echte Damaszener“, bemerkte Platen.
„Pah!“ antwortete Kurt ruhig. „Es ist Solinger Ware. Echte Damaszener kennt man; ich habe andere Säbel zur Hand gehabt.“
Nun zogen auch die beiden Sekundanten ihre Degen und stellten sich ihren Bevollmächtigten zur Seite. Der Kampf konnte beginnen, sobald Rittmeister Palm das Zeichen gab. Da hörte man die Stimme Röschens:
„Warten Sie noch einen Augenblick, meine Herren! Ehe losgeschlagen wird, muß ich den Leutnant Ravenow denn doch erst noch fragen, ob er noch immer behauptet, mich nach Hause begleitet zu haben.“
Da aller Augen sich auf den Gefragten richteten, so sah er sich gezwungen zu sprechen. Er sagte höhnisch:
„Ich werde meine Antwort geben, nämlich mit dem Säbel. Auf solche Fragen antwortet man nur mit Blut, und das wird das meines Gegners sein.“
Er riß seinen Rock herunter, warf ihn zur Erde und setzte hinzu:
„Herunter mit dem Kittel. Das ist das beste und sicherste Zeichen, daß einer zum Teufel fahren wird!“
„Nun wohl“, sagte Kurt ruhig, indem auch er seinen Rock auszog, „ich bin bereit zu der Unhöflichkeit, einer Dame die Ärmel meines Hemdes zu zeigen. Aber da nur immer von meinem Blut gesprochen wird, erkläre ich hiermit, daß auch nicht ein einziger Tropfen desselben fließen soll. Ich bin nicht blutgierig; ich werde den Leutnant Ravenow nicht töten, sondern ihn nur dienstunfähig machen, wie es ja seine eigenen Bedingungen verlangen. Ich werde ihm mit meinem dritten Hieb die rechte Hand abhauen. Herr Doktor, machen Sie sich bereit, ihm den Armstummel zu verbinden!“
„Elende Gaskonade!“ knirschte Ravenow, braun vor Wut im Gesicht. „Rittmeister, geben Sie
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