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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Rodriganda. Ich weiß, was ich meinen Ahnen schuldig bin. Ich bestehe fest darauf, dem Duell beiwohnen zu können. Sprechen Sie mit Ihrem Bevollmächtigten. Habe ich bis zur Tafel noch nichts gehört, daß man mir den Willen tut, so gebe ich Ihnen mein Wort, daß ich während des Essens laut erzählen werde, in welcher Weise ich dazu gekommen bin, mit einem Herrn von Ravenow spazierenfahren zu müssen. Die Gegner meines Freundes kennen keine Schonung, nun wohl, so mögen sie auch auf die meinige verzichten. Für jetzt sind Sie entlassen!“
    Sie verabschiedete sie mit einer Bewegung der Hand und in einer so königlichen Haltung, daß sie sich entfernten, ohne ein Wort der Entgegnung zu wagen. Kurt ließ den Blick mit großer Bewunderung auf ihr haften. War denn dies wirklich das stille, sanfte Wesen, dessen Kinderspielen er so oft beigewohnt hatte?
    „Du hast viel verlangt, Röschen“, sagte er.
    „Man wird es mir gewähren“, antwortete sie selbstbewußt. „Ravenow wird nicht an öffentlicher Tafel blamiert sein wollen.“
    „Aber es wird ihm einen furchtbaren Kampf kosten, seine Einwilligung zu geben. Es ist nichts Kleines, vor den Sekundanten zu gestehen, daß man gelogen hat. Ich wollte nach dem Rendezvous reiten, da dies weniger auffällig ist, nun du aber dabei bist, werde ich einen Wagen nehmen müssen; das wird man bemerken.“
    „Man wird es nicht bemerken. Du beauftragst deinen Sekundanten, den Wagen zu besorgen und mit demselben an einen bestimmten Ort auf uns zu warten. So können wir unsere Wohnung verlassen, ohne daß es auffällt.“
    Er widersprach ihr nicht weiter. Er wußte, daß er ihren Vorsatz, morgen bei ihm zu sein, nicht wankend machen konnte, und so ließ er sie gewähren.
    Der Oberst stand mit Golzen, Ravenow und dem Adjutanten in einer Ecke, und ein aufmerksamer Beobachter konnte leicht sehen, daß sie eine höchst lebhafte Unterhaltung führten über einen Gegenstand, über den sie sich nur schwer einigen zu können schienen.
    Da öffneten sich die Türen des Speisesaales, und es wurde verkündet, daß angerichtet sei. Der Großherzog ergriff den Arm der Herzogin von Olsunna, und hinter ihm bildeten sich die Paare zu einer langen Reihe, um sich nach dem Speisesaal zu begeben.
    „Es ist hohe Zeit, kein Augenblick mehr zu verlieren“, sagte Golzen zu Ravenow. „Soll ich ihr die Einwilligung bringen, oder willst du dich blamieren lassen?“
    Im Gesicht des Gefragten kämpften Zorn und Verlegenheit, Wut und Scham miteinander. Dann antwortete er mit sichtlicher Selbstüberwindung:
    „Nun, meinetwegen, in drei Teufels Namen. So gehe hin und sage ihr, daß ihrem Erscheinen nichts im Weg stehe!“
    Golzen ging, und die anderen wandten sich ab. Es war also wahr, was Kurt im Kasino behauptet hatte, daß Ravenow gelogen hatte. Mit der an Röschen gegebenen Erlaubnis hatte er eingestanden, daß sich das Unrecht auf seiner Seite befinde.
    Das Souper war köstlich, fast königlich zu nennen und die Stimmung eine sehr animierte, Ravenow und den Obersten ausgenommen. Der erstere fühlte sich tief erniedrigt dadurch, daß er, wenn auch nicht in Worten, so doch durch die Tat ein Eingeständnis seiner Schuld gegeben hatte, und dem letzteren quollen selbst die feinsten Leckerbissen bei dem Gedanken im Mund, daß es doch noch nicht so ganz erwiesen sei, daß Ravenow seinen Gegner töten werde. Die Bemerkung, mit denen Kurt auf die Bedingungen seines Gegners eingegangen war, schienen nicht darauf hinzuweisen, daß er sich fürchte. Wurde Helmers von Ravenow getötet oder kampfunfähig gemacht, so konnte der Oberst ruhig nach Hause zurückkehren; er hatte nicht die geringsten Unannehmlichkeiten zu befürchten. Kam aber der Kampf auch an ihn, so war die Festung ihm gewiß, ganz abgesehen davon, daß er, ein Stabsoffizier, sich mit einem Leutnant eingelassen hatte, und auch davon, daß er der Empfehlung des Kriegsministers nicht gehorsam gewesen war. Er, als Oberst, hatte darauf zu sehen, daß im Bereich seines Regimentes alle Gesetzwidrigkeiten vermieden wurden, und nun gab er selbst das eklatanteste Beispiel eines Zweikampfes mit einem Offizier, der ihn nicht beleidigt hatte und ihm sogar von der obersten Militärbehörde ganz dringend empfohlen worden war.
    „Verfluchte Geschichte!“ dachte er. „Ich warte auf Avancement, wäre vielleicht nach den nächsten Herbstmanövern zum General befördert worden, und nun reißt mich alten Kerl der adlige Hochmut zu einer Dummheit fort, die mich um alles

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