45 - Waldröschen 04 - Verschollen
antwortete der Adjutant in einer beinahe zornigen Aufwallung:
„Sie werden gleich bemerken, daß sie denn doch bedeutend genug ist, wenigstens für Sie. Sie werden zwei bewährten Männern gegenüberstehen, und es wird sich um Leben und Tod handeln. In unseren Kreisen betrachtet man ein Duell nicht als eine Spielerei; wir sind keineswegs Realschüler oder pauksüchtige Kommisvoyageurs! Sie können sich darauf verlassen, daß es keinem Ihrer Gegner beikommen wird, Sie im mindesten zu schonen.“
„Ich weiß es“, sagte Kurt sehr ruhig. „Es fällt mir auch gar nicht ein, um Nachsicht zu bitten.“
„So darf die Dame unsere Vorschläge mitanhören?“
„Sie hat darum gebeten, und ich schlage ihr diese Bitte nicht ab.“
„Gut, so wollen wir uns kurz fassen!“
Er wollte beginnen, aber Platen unterbrach ihn mit einer Handbewegung und bemerkte mit fast bewegtem Ton:
„Lieber Freund, es handelt sich hier um sehr ernste, fast harte Bedingungen, welche nicht für das Ohr einer Dame sind. Ich habe mich bereits geweigert, auf dieselben einzugehen. Deshalb brachte ich die Herren zu Ihnen.“
„Pah, lieber Platen, ich gehe auf jede Bedingung ein, vorausgesetzt, daß sie von beiden Seiten respektiert wird. Reden Sie, Herr von Branden!“
Die beiden Sekundanten teilten ihm nun ihre Aufträge mit. Als sie geendet hatten, sagte er mit einem sorglosen Lachen:
„Ich sehe allerdings, daß es meine Gegner geradezu auf mein Leben abgesehen haben. Ich gestehe aufrichtig, daß ich sie schonen wollte. Es lag mir nur daran, ihnen eine möglichst genügende Züchtigung zu erteilen. Ihre Bedingungen aber sind derart, daß ich geradezu ein Selbstmörder wäre, wenn ich die Waffen in so nachsichtiger Weise gebrauchen wollte, wie es erst meine Absicht war. Der Leutnant von Ravenow hat mir eine fremdländische Hiebwaffe vorgeschlagen, in welcher er erfahren ist, während er meint, daß ich sie nicht zu führen weiß. Meine Herren, ich habe mich in den türkischen Waffen bereits als Knabe geübt, ein Meister war mein Lehrer; ich habe Ravenow nicht zu fürchten. Ich habe ihm die Wahl der Waffen überlassen, nicht um ihn zu beleidigen, sondern weil es mir gleichgültig war, für welche er sich entschied, denn ich kenne sie alle. Ich nehme Ihre Bedingungen an, aber weil ich kein Raufbold bin, so erkläre ich mich bereit, mein Ohr dem Sühneversuch nicht zu verschließen, welchen der Rittmeister Palm als Ehrenrat unternehmen wird. Eine aufrichtige Abbitte oder Ehrenerklärung hat für mich, der ich Mensch bin, denselben Wert, als eine blutige Genugtuung.“
Die Offiziere hatten diese Worte ruhig mitangehört, nun aber erklärte der Adjutant mit einem zweideutigen Lächeln:
„Herr Leutnant, von einer Abbitte wird nie die Rede sein, soweit ich die beiden Herren kenne. Und was Ihre Bereitwilligkeit betrifft, auf einen Sühneversuch einzugehen, so will ich meinem Auftraggeber lieber davon keine Mitteilung machen, da er jedenfalls annehmen würde, daß sie aus einem Mangel an Mut entspringe.“
„Oh, bitte, sprechen Sie immerhin davon. Was er vor dem Kampf von meinem Mut denkt, ist mir gleichgültig, nach der Entscheidung erst wird er mich genau taxieren können. Sie werden mich punkt vier Uhr am Platz finden.“
„Das also ist abgemacht“, sagte Röschen rasch. „Nun aber, Herr Leutnant von Golzen, sagen Sie dem Herrn von Ravenow, daß auch ich erscheinen werde.“
„Ah!“ riefen erstaunt die Herren, und Kurt sagte schnell einfallend:
„Das geht nicht, liebes Röschen! Das würde ganz und gar gegen Gebrauch und Herkommen sein!“
„Rede mir nicht darein, Kurt“, entgegnete sie. „Dieser freche Bube hat mich öffentlich überfallen, er hat öffentlich gelogen, aber hinter meinem Rücken; nun soll er gestraft werden nicht hinter meinem Rücken, sondern vor meinen Augen. Mag das herkömmlich sein oder nicht, ich will es so, denn es ist das Richtige. An dem Platz, auf welchem die Genugtuung gegeben wird, soll er mir gestehen, daß er ein Lügner ist, und daß er aus meinem Wagen springen mußte, um den Händen eines Schutzmannes zu entgehen. Ich habe es zu verlangen, und ich verlange es.“
„Mein Fräulein, auf Ihre Gegenwart können wir nicht eingehen“, sagte Golzen kopfschüttelnd.
Sie stand mit leuchtenden Augen auf, blickte ihm fest in das Gesicht und sagte: „Herr von Golzen, man hat mich hier nur mit dem Namen Sternau genannt, doch in meinen Adern fließt das Blut der Herzoge von Olsunna und der Grafen von
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