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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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keine Kugel hatte getroffen.
    „Der erste Schuß!“ sagte Kurt gleichmütig, indem er seine Pistole an Platen gab, um sie wieder laden zu lassen.
    Nach zwei Minuten war man fertig, und des Rittmeisters Stimme klang:
    „Eins – zwei – drei!“
    Es blitzte hüben und drüben auf, aber beide standen abermals unversehrt.
    „Der zweite Schuß!“ zählte Kurt.
    Der Oberst zuckte zornig die Achseln.
    „Das ist nur ein verdammter Zufall!“ rief er. „Zum dritten Mal werde ich nicht wieder fehlen. Jetzt gilt es das Leben!“
    „Nein, nur die Hand!“
    Bei diesen Worten nahm Kurt die wieder geladene Pistole in Empfang und erhob sie. Der Oberst zielte so genau wie möglich. Er war bereits unruhig geworden. Woher die Fehlschüsse? Verstand dieser Helmers zu zaubern? Er zählte jetzt die Schüsse in demselben Ton und mit derselben Kaltblütigkeit, wie er vorhin die Hiebe gezählt hatte!
    Diese Gedanken raubten den Obersten seine Unbefangenheit. Kurt zielte nicht auf die Mündung der Pistole, sondern auf die Hand, welche dieselbe umspannt hielt. Ein Neigen seines Kopfes nach der Seite hin, auf welcher der Rittmeister stand, deutete an, daß er den Kommandoworten desselben jetzt mehr Aufmerksamkeit schenkte als vorher. Es galt dem Gegner zuvorzukommen; natürlich durfte dies nicht ein so bemerkbares Intervall betragen, daß man es unehrlich hätte nennen können; es handelte sich darum, nur einen kleinen Augenblick eher abzudrücken. Jetzt begann der Rittmeister zum dritten Mal:
    „Eins – zwei – drei!“
    Die Schüsse krachten.
    „Herrgott!“ rief zu gleicher Zeit der Oberst und fuhr einige Schritte zurück.
    „Der dritte Schuß!“ zählte Kurt mit unbewegten Gesichtszügen.
    Die abgeschossene Pistole des Obersten fiel zur Erde, während er selbst mit seiner linken Hand nach dem rechten Arm langte.
    „Sie sind getroffen?“ fragte der Sekundant, indem er herbeisprang.
    „Ja, in die Hand“, antwortete der Verwundete.
    Auch der Arzt eilte herbei und ergriff den Arm, um die Verwundung zu untersuchen. Er schüttelte den Kopf und blickte mit einer Art von Entsetzen zu Kurt herüber, welcher kalt und unbeweglich auf seinem Platz stand.
    „Zerschmettert, vollständig zerschmettert“, erklärte er, indem er mit der Schere den Ärmel bis zum Ellenbogen aufschnitt. „Die Kugel ist durch die Hand gegangen, hat sodann das Handgelenk zerrissen und ist in den Unterarm eingedrungen, da hat sie die Röhre zerschmettert und ist hier durch den Rock wieder herausgedrungen. Sie kann nicht weit von hier liegen.“
    „Kann die Hand gerettet werden?“ fragte der Oberst voller Angst.
    „Nein, ganz unmöglich; sie muß herunter!“
    „Also dienstunfähig?“ fragte Kurt.
    „Vollständig!“ antwortete der Arzt, dem es von Kurt fast zu grauen begann.
    „So kann ich meinen Posten hier verlassen“, meinte dieser. „Die Herren werden mir zugeben, daß ich mein Ehrenwort eingelöst habe; dasjenige des Herrn Obersten nehme ich mit, er hat nun keins mehr.“
    Er warf die Pistole zur Erde und schritt davon. Röschen erwartete ihn leuchtenden Auges. Es lag eine ganze Welt voll Stolz in ihren Blicken.
    „Du hast wieder gesiegt!“ sagte sie in unterdrücktem, aber doch fast aufjauchzendem Ton. „Ich wußte es, dich kann keiner überwinden. Ist seine Hand wirklich verloren, lieber Kurt?“
    „Ja, er kann niemals wieder den Säbel führen.“
    „Das ist gerecht und doch schaurig zugleich. Komm, laß uns fortgehen!“
    „Wir müssen doch auf Platen warten, liebe Rosita. Ich will dir sagen, daß ich jetzt nun wieder Atem hole. Ich bin meines Schusses sicher, aber das Gelingen desselben hängt von vielem ab. Ich ziele ganz genau auf die Mündung meines Gegners, aber dieser darf während des Abdrückens nicht wanken, so treffen sich die Kugeln nicht, sondern uns. Darum muß man dieses Wanken des Feindes verhüten, und zwar dadurch, daß man ihn sicher macht, so daß er ruhig zielt. Zu diesem Zweck habe ich zuvor einen scheinbaren Fehlschuß getan.“
    „Ah, du wolltest den Zapfen nicht treffen?“
    „Nein. Daß ich ihn nicht traf, gab dem Obersten seine ganze Besonnenheit zurück. Sein Visieren war infolgedessen fest und genau, darum das meinige auch, und so gelangen mir meine drei Schüsse. Doch komm, laß uns einstweilen zum Wagen gehen. Platen wird bald nachkommen.“
    Dieser war allerdings auf dem Kampfplatz stehengeblieben. Er konnte nicht begreifen, wie Kurt den Verlauf des Kampfes so genau hatte vorher bestimmen

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