45 - Waldröschen 04 - Verschollen
ähnliches ist. Du mußt nämlich wissen, daß ich mich für solche Sachen lebhaft interessiere. Ein jeder hat sein Steckenpferd, und das meinige ist die Liebhaberei für altes Geschmeide.“
„Diese Frage kann ich dir genau beantworten. Dieser Ring ist wirklich ein Familienstück. Der Onkel besitzt noch andere Sachen, mit denen er aber sehr besorgt tut. Er zeigt sie keinem Menschen. Einmal aber habe ich ihn doch überrascht, als ich unerwartet in sein Arbeitszimmer trat. Er hat nämlich außer dem Kontor noch ein Privatarbeitszimmer im Gartenhaus. Dort befindet er sich sehr oft des Nachts und schläft auch dort. Ich trat unvermutet bei ihm ein und sah einige Schmuckgegenstände auf seinem Tisch liegen. Es waren kostbare Ketten, Diadems, Armringe und anderes Geschmeide von einer außerordentlich fremdartigen Arbeit. Er erschrak sehr, und ich mußte lachen, daß ich in sein Geheimnis gedrungen war.“
„In sein Geheimnis?“
„Ja“, meinte Platen sorglos. „Es hängt nämlich in diesem Arbeitszimmer eine alte Schwarzwälder Uhr an der Wand. Diese hatte er abgenommen, und nun sah ich, daß sich hinter derselben ein Loch befand, welches durch ein eisernes Türchen verschlossen werden konnte. In diesem Loch schien noch anderes Geschmeide zu liegen, denn ich bemerkte da ein Kästchen, aus welchem ein Halsband herabhing.“
„Wie lange ist dies her?“
„Bereits drei Jahre.“
„So wird er das Geschmeide seit dieser Zeit an einem anderen Ort aufbewahrt haben; das ist sehr leicht zu denken“, meinte Kurt, indem er sich den Anschein der Gleichgültigkeit zu geben suchte.
Platen bemerkte auch wirklich das Interesse nicht, welches Kurt an dieser Unterhaltung nahm, und antwortete lachend:
„O nein. Er scheint keinen anderen Ort zu wissen, denn ich mußte ihm bei meinem Offiziersehrenwort geloben, ihn nicht zu verraten. Das verstand sich ja von selbst, und das feierliche Gelöbnis kam mir daher spaßhaft vor. Ich glaube nicht, daß ich es gebrochen habe, indem ich zu dir davon spreche, denn bei dir ist dieses entsetzliche Geheimnis ja ebensogut aufgehoben wie bei mir. Ich glaube nicht, daß du Lust hast, beim Onkel einzubrechen.“
Er lachte bei diesen Worten abermals. Der Gedanke, den Freund sich als Einbrecher vorstellen zu sollen, kam ihm doch zu komisch vor. Kurt blickte eine Minute lang ernst zum Fenster hinaus und sagte dann:
„Und wenn ich nun doch Lust hätte, den Einbrecher zu machen?“
„Unsinn!“
„Wenigstens um mir das Geschmeide einmal zu betrachten?“
„Weshalb? Was sollte das dir nützen?“
„Viel oder wenig, je nachdem. Du weißt gar nicht, wie wertvoll mir deine Mitteilung ist.“
„Du setzest mich in Erstaunen!“ meinte Platen. „Was interessiert es dich, ob mein Oheim Goldschmuck besitzt oder nicht?“
„Lieber Platen, wir sind Freunde und wollen als solche handeln! Es ist unbeschränktes Vertrauen von dir, daß du von dem Versteck deines Oheims zu mir gesprochen hast; ich will dasselbe Vertrauen auch zu dir haben.“
„Mensch, du machst mich wirklich neugierig!“ meinte Platen, indem er sich eine neue Zigarre ansteckte und sich dann zurecht setzte, um die jedenfalls interessante Mitteilung des Freundes bequem entgegenzunehmen.
„So höre“, begann Kurt. „Mein Vater ging nach Mexiko und traf dort seinen Bruder. Dieser war auf eine Weise, von welcher ich dir später erzählen werde, in den Besitz eines Schatzes gekommen, welcher aus alten, kostbaren, mexikanischen Schmucksachen bestand –“
„Alle Teufel, das beginnt wirklich interessant zu werden“, meinte Platen.
„Weiter. Die beiden Brüder befanden sich bei einem Haziendero, dessen Tochter die Braut meines Oheims war. Ein Kriegszug rief sie ab, und seitdem sind sie verschollen. Der Onkel hatte bestimmt, daß die Hälfte dieses Schatzes mir gehören solle; die Gegenstände sollten mir geschickt werden, um sie hier zu verwerten und mit dem Ertrag die Kosten meiner Ausbildung zu bestreiten und mir mit dem übrigen einen festen, pekuniären Halt zu geben.“
„Glückskind!“ lächelte Platen.
„Daran dachte der alte Haziendero, als die beiden Brüder verschollen waren und nicht zurückkehrten“, fuhr Kurt fort. „Als ein Jahr vergangen war, ohne daß er etwas von ihnen vernommen hatte, nahm er meinen Anteil und trug ihn zur Hauptstadt, wo er ihn Benito Juarez übergab.“
„Dem Präsidenten?“
„Ja; dieser war aber damals noch Oberrichter. Juarez übernahm es, die Gegenstände sicher nach
Weitere Kostenlose Bücher