45 - Waldröschen 04 - Verschollen
ausarbeiteten, und so konnte ich mir die Ansicht bilden, daß Sie zu verwenden sind. Daher habe ich bestimmt, daß Sie dem Stab zugestellt werden, natürlich aber unter der Voraussetzung, daß Sie sich künftighin vor gewissen Jagdabenteuern hüten, in Folge deren man sehr leicht dienstunfähig wird.“
Er sprach diese Worte in scherzhaft drohendem Ton und fuhr dann fort:
„Einstweilen will ich noch unterlassen, Sie unserem Generalstabschef vorzustellen. Es ist möglich, daß man Sie zunächst mit einer Mission beauftragen wird, welche auch eine militärische ist, jedoch einen mehr diplomatischen Charakter hat. Man bedarf dazu eines Mannes, welcher den Mut des Mannes, die Schlauheit des Polizisten und die Kaltblütigkeit des Alters besitzt und dabei doch so jugendlich ist, so unerfahren und ungefährlich erscheint, daß er nicht eine unbequeme Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dazu scheinen Sie der geeignete Mann zu sein. Sie sind noch jung und können, wenn Sie wollen, recht ungefährlich erscheinen, obgleich Sie während Ihrer Jagdpartie bewiesen haben, daß Sie es nicht sind. Es wird sich dabei um eine längere Reise handeln. Bereiten Sie sich zu derselben vor. Ich gebe Ihnen eine Woche Zeit, behalte mir aber die Kenntnis Ihres Aufenthaltes vor, damit ich Sie benachrichtigen kann, falls man Ihrer eher bedürfen sollte.“
Das waren Worte, welche Kurt beglückten. Sie enthielten eine Auszeichnung, die einen hoch gestellten Offizier stolz gemacht hätten. Er antwortete:
„Exzellenz, ich bin zu jung, um meiner in jeder Beziehung gewiß zu sein, aber ich werde alle Kraft anstrengen, um die Aufgabe, welche man mir erteilt, zu lösen. Mein Aufenthalt während dieser Woche wird Seiner Hoheit, dem Herzog von Olsunna, bekannt sein.“
„Ihre Bescheidenheit ist eine Ehre für Sie. Ich entlasse Sie mit der Bitte, mich dem Herzog zu empfehlen.“
Kurt verließ den Minister um eine Stufe glücklicher noch, als er bereits vorher gewesen war. Er beschloß natürlich, nach Rheinswalden zu gehen, um vor der langen Abwesenheit, die ihm in Aussicht gestellt worden war, seine Mutter und den Hauptmann zu sehen. Er hatte sich von ihnen zu verabschieden, obgleich er nicht wußte, wohin diese Reise gehen werde.
Zu Hause angekommen, erzählte er seine Unterredung und richtete damit große Freude an. Des Abends kam Platen und blieb bis gegen Mitternacht. Da er morgen nach Mainz wollte, so wurde beschlossen, daß die beiden Freunde miteinander fahren sollten. Da der Lord mit Amy nach Wien wollte, und zwar in sehr kurzer Zeit, da politische Gründe seine dortige Anwesenheit baldigst erforderten, so nahm Kurt von den beiden Abschied.
Der Morgen brach an, als die beiden Husarenoberleutnants miteinander im Coupé saßen und ihrem Ziel entgegen dampften. Während der Unterhaltung zog Platen den Handschuh ab, um Kurt eine Zigarre anzubieten. Dabei fiel die Morgensonne auf den Ring an seiner Hand, und die Reflexe zuckten blitzend in dem kleinen, behaglichen Raum erster Klasse umher.
„Ah, welch ein Ring!“ sagte Kurt, indem er tat, als habe er ihn noch gar nicht gesehen. „Er ist gewiß ein altes Erb- und Familienstück?“
„Allerdings“, antwortete Platen. „Aus meiner eigenen Familie stammt er freilich nicht, er ist vielmehr ein Geschenk meines Onkels.“
„Des Bankiers, den du besuchst?“
„Ja. Ich leistete ihm einst einen Dienst, welcher ihm wichtig genug erschien, mir eine kleine Belohnung zu erteilen. Er ist sehr geizig, mit Geld, was einem Offizier doch stets das Allerliebste ist, rückte er nie heraus, und so gab er mir den Ring, der zwar höchst wertvoll ist, ihm aber jedenfalls nichts gekostet hat. Willst du dir ihn einmal betrachten?“
„Ich bitte darum.“
Platen zog den Ring vom Finger und gab ihn Kurt, welcher ihn einer genauen Untersuchung unterwarf und die Steine nach allen Richtungen hin spielen ließ.
„Das ist keine neue Arbeit“, sagte er endlich.
„Auch keine deutsche. Ich bin überhaupt sehr im Zweifel, wie ich diese ‚Arbeit‘ unterbringen soll.“
„Ich halte sie für mexikanisch.“
„Ich auch. Aber wie sollte Onkel Wallner zu diesem Stein kommen. Seine Familie hat niemals Verbindung mit Mexiko oder Spanien gehabt.“
„Oh, was das betrifft, so kann ein Bankier leicht in den Besitz eines solchen Gegenstandes kommen“, meinte Kurt, indem er dem Kameraden den Ring zurück gab. „Ich wäre neugierig, zu erfahren, ob es wirklich ein Erbstück, ein verfallenes Pfand oder so etwas
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