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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Platen.
    „Nun wohl. Die Jagdpartie, von welcher wir heute sprachen, hat sich im Kasino angesponnen und soll dort ihr Ende finden. Das ist folgerichtig. Sie begeben sich zu Oberst Märzfeld von der Infanterie und übergeben ihm diese Dokumente. Er hat dieselben im Kasino zu öffnen und vorzulesen, und zwar in Gegenwart Ihres Freundes Helmers, welchen Sie benachrichtigen. Das ist alles. Ihr Verhalten in dieser Affäre hat meinen Beifall. Adieu!“
    Während dieser Worte hatte er die Schriftstücke in ein gemeinschaftliches Kuvert geschlossen, welches er Platen übergab. Dieser entfernte sich mit freudeerfülltem Herzen. Das direkte Lob eines solchen Mannes ist eine Seltenheit.
    Er nahm, um rascher vorwärts zu kommen, eine Droschke und fuhr zunächst bei Helmers vor, um diesen zu benachrichtigen. Er wurde geladen, länger zu bleiben, mußte aber dem ihm gewordenen Befehl Folge leisten und sich zum Obersten begeben.
    Kurt war begierig, zu erfahren, was es im Kasino geben werde; er säumte daher nicht, sondern machte sich sogleich auf den Weg. Als er das Lokal betrat, war Platen noch nicht da, doch gab es fast keinen leeren Platz im Raum. Die Soiree des Großherzogs mußte besprochen werden, und daher hatten sich alle eingefunden.
    Nur der Oberst und Ravenow fehlten. Man ahnte, weshalb, aber man fragte nicht, obgleich der Ehrenrichter und die beiden Sekundanten, welche zugegen waren, Auskunft hätten erteilen können.
    Als Kurt eintrat, machte sich doch eine sichtbare Verlegenheit geltend. Man hatte gegen ihn Front gemacht, aber auf der Soiree gesehen, unter welcher mächtigen Protektion er stehe. Sich selbst desavouieren wollte man nicht, aber ignorieren durfte man ihn doch auch nicht, und so erwiderte man seinen Gruß in jener Art und Weise, welche weder höflich noch beleidigend ist. Er kehrte sich nicht daran, sondern nahm Platz, ließ sich ein Glas Wein geben und beschäftigte sich mit einer Zeitung.
    Nach einiger Zeit trat Platen herein und setzte sich zu ihm.
    „Kommt der Oberst?“ fragte Kurt.
    „Natürlich“, antwortete Platen. „Er war ganz erstaunt über den Befehl, welchen ich ihm überbrachte. Ich habe so meine Gedanken über das, was er hier soll.“
    „Das ist nicht schwer zu erraten. Oberst Märzfeld erhält unser Regiment; da er von der Linieninfanterie ist, so ist dies eine außerordentliche Bevorzugung für ihn, für das Offizierskorps unseres Regiments aber eine Strafe, welche gar nicht größer und fühlbarer sein könnte.“
    „Aber die anderen Schreiben? Was enthalten sie?“
    „Wir werden es abwarten.“
    Sie brauchten nicht lange zu warten, denn bereits nach kurzem erschien der Oberst. Als er eintrat, wendeten sich aller Augen mit Befremden nach ihm. Ein Oberst von der Linieninfanterie? Was wollte er hier? Warum kam er in großer Uniform, mit seinen Orden an der Brust?
    Man erhob sich allgemein, um ihn seinem Rang gemäß zu begrüßen. Der Oberstleutnant und die Majors gingen ihm entgegen, um ihn zu bewillkommnen. Er drückte den dreien die Hand und sagte:
    „Ich danke für den Willkommen, meine Herren! Es führt mich eine dienstliche Angelegenheit zu Ihnen, nicht der Wunsch, an Ihrem Frühstück teilzunehmen.“ Er zog das Kuvert, welches er empfangen, hervor und fuhr fort: „Seine Exzellenz, der Herr Kriegsminister, schickt mir nämlich durch den Herrn Leutnant den Befehl, hier vor Ihnen, meine Herren, dieses Kuvert zu öffnen, um Ihnen Mitteilung von dem Inhalt desselben zu machen.“
    Ein allgemeines „Ah!“ der Verwunderung ließ sich hören. Eine ministerielle Bekanntmachung im Kasino? Kein Regimentsbefehl? Das war noch niemals dagewesen! Und diesen Befehl sollte ein Oberst von der Linieninfanterie publizieren? Platen hatte ihm denselben überbracht? Wie kam der dazu?
    Die Blicke der Anwesenden schweiften zwischen dem Obersten und Platen hin und her. Der Letztere tat, als bemerke er es nicht, der Erstere aber öffnete das Kuvert und zog die verschiedenen versiegelten Schreiben hervor, welche es enthielt; sie waren numeriert.
    „Ich ersuche um Ihre Aufmerksamkeit, meine Herren. Nummer eins!“
    Er las die kurzen Zeilen vor. Sie enthielten den Abschied des Regimentsobersten, ohne Pension, da er nicht im Dienst unfähig geworden sei. Diese Bekanntmachung rief eine förmliche Sensation hervor. Man trat von einem zum anderen, man sprach wirr durcheinander. Man fragte, ob ein Duell wirklich stattgefunden habe, und welches der Ausgang desselben gewesen sei.
    „Nummer zwei, meine

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