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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sind Sie also doch ein braver Kerl! Na, mit mir war es ja eben ganz dasselbe. Auch ich wurde gepreßt und ließ mich nicht dazu bringen, an den Schandtaten dieser Kerle teilzunehmen.“
    „Und wie entkamen Sie?“
    „Hm! Eigentümlich! Es war dies eben ein Beweis, daß es selbst unter Piraten noch Leute gibt, die ein gutes Herz besitzen. Kennen Sie Barcelona?“
    „Ei freilich“, antwortete der Graf. „Rodriganda, mein Stammschloß, liegt in der Nähe.“
    „Nun gut. Dort war ich mit einer Barke von Stralsund. Sie gehört dem alten Walter Sömbaum und sollte Öl und Südfrüchte laden. Kam das Schiff glücklich nach Hause, so wollte mir der Alte seine Tochter geben. Wir hatten uns lieb, und ich freute mich wie ein Junge auf die Hochzeit. Aber da in diesem unglücklichen Nest – ah, ich entsinne mich, daß da auch die ‚Péndola’ lag, Kapitän Landola, und neben ihr lag eine französische Brigg, ein nettes, schmuckes Ding, welches ich mir gern einmal genauer angesehen hätte. Ich bat den Alten, an Land gehen zu dürfen und erhielt die Erlaubnis dazu. In einer Kneipe traf ich einige Leute von der Brigg, machte mich mit ihnen bekannt und erhielt das Versprechen, ihr Schiff ansehen zu dürfen. Sie nahmen mich mit. Aber kaum war ich an Bord, so wurde ich in den Kielraum geführt und dort mit Tauen angefesselt. Des Nachts ging die Brigg in See, und am anderen Tag erfuhr ich, daß sie ein Seeräuber sei. Sie war erst kürzlich von Grandeprise gekapert worden und stand unter dem Kommando seines ersten Steuermannes. Den Kapitän selbst habe ich niemals gesehen, denn er hatte, wie ich hörte, mit seinem Hauptschiff in Westindien zu tun.“
    „Und wohin gingen Sie?“ fragte der Graf.
    „Erst nach dem mittelländischen Meer und dann, da hier nichts zu machen war, nach Südamerika. Wir gingen um Kap Horn herum, ohne eine Prise machen zu können und dann an Amerika hinauf. An der Küste von Peru gelang es mir mit Hilfe eines braven Kerls, der Erbarmen mit mir hatte, während einer stockdunklen Nacht das kleine Boot in See zu lassen und nach der Küste zu entkommen. Er selbst wollte nicht mit; dennoch werde ich ihn nie vergessen. Er hieß Garbilot.“
    „Garbilot? Jacques Garbilot?“ fragte da Emma rasch.
    „Ja“, antwortete der Kapitän erstaunt. „Kennen Sie ihn?“
    „Ja.“
    „Das ist ganz unmöglich, denn es sind viele Jahre – ach, ich Dummkopf! Er kann ja noch leben! Wo haben Sie ihn kennengelernt, Señora?“
    Die Mexikanerin antwortete:
    „Ich meinte nicht, daß ich ihn persönlich kennengelernt habe. Es wurde mir von ihm erzählt. Er lebt nicht mehr. Er ist im Gefängnis zu Barcelona gestorben, und ein Freund von mir, namens Sternau, hat seine Beichte gehört.“ Und sich zu dem Grafen wendend, fuhr sie fort: „Dieser Jacques Garbilot ist nämlich der Steuermann, welcher dem Doktor Sternau erzählte, daß er mit dem Seeräuber im Hafen von Vera Cruz gewesen sei. Dadurch kam Sternau zuerst auf die Vermutung, daß Sie noch leben möchten und nicht gestorben, sondern in irgendeinen sicheren und geheimen Ort gebracht worden seien.“
    „Gottes Wege sind wunderbar“, sagte der Graf. „Er zieht seine geheimnisvollen Fäden so, daß man erstaunt, wenn man sie bemerkt. Aber erzählen Sie, wie es Ihnen weiter erging, Kapitän!“
    „Wie es mir erging?“ fragte dieser mit finsterer Miene. „Schlecht genug! Ich fand kein Schiff, welches mich aufnehmen wollte. Ich mußte hungern und warten, bis sich endlich nach Dreivierteljahren ein Holländer meiner erbarmte. So kam ich nach Amsterdam und von da nach Hause. Inzwischen waren zwei Jahre vergangen. Der alte Walter Sömbaum hatte mich für einen Ausreißer gehalten und seine Tochter beredet, einen anderen zu nehmen. Als ich ihr erzählte, wie es mir ergangen war, weinte sie sich fast die Augen aus. Das Schlimmste aber ist, daß ich mir dann, freilich erst nach längeren Jahren, eine Niete gezogen habe, eine ganz gewaltige Niete! Und wer ist daran schuld? Der Grandeprise! Alles wollte ich ihm vergeben; aber daß ich die Anne Sömbaum nicht bekommen und an ihrer Stelle einen Schnabeldrachen geheiratet habe, das vergesse ich ihm nie. Hätte ich ihn nur einmal so recht hübsch zwischen meinen Fäusten! Ich wollte ihn kalfatern, daß ihm die Seele aus dem Leib führe wie die Nudeln aus der Kartoffelquetsche!“
    Seine Worte klangen komisch, aber sein Zorn war nichtsdestoweniger ein ganz ernsthafter. Man sah es ihm an, daß er ein tüchtiges Maß von

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