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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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„Was wollen Sie so bald?“
    „Sie warnen, Exzellenz“, lautete die Antwort. „Sie müssen augenblicklich fliehen.“
    „Cent mille tonnerres! Weshalb?“
    „Wir sind verraten.“
    „Unmöglich!“
    „Wirklich! Ich bin der Polizei nur dadurch entkommen, daß ich den Kommissar niederschlug und dann durch das Fenster meines Zimmers auf die Straße sprang.“
    „Horrible! Wer hat uns verraten?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Und Ihre Papiere?“
    „Das Memorial ist konfisziert.“
    Der General hatte sich nie gefürchtet, jetzt aber erbleichte er doch.
    „So sind wir verloren, wenn man uns ergreift“, sagte er. „Sie müssen eine fürchterliche Dummheit begangen haben. Sie sollen mir unterwegs erzählen.“
    „Sie wollen mit mir reisen?“
    „Es ist das Beste. Ich komme nicht über die russische Grenze. Wir müssen nach Sachsen, doch nicht mit der Bahn, da würde man uns ergreifen.“
    „Ich habe eine Droschke unten.“
    „Gut. Wir fahren mit ihr ab, wechseln aber öfters, ehe wir aus der Stadt kommen; dann werden wir weitersehen. Haben Sie Ihr Geld gerettet?“
    „Ja.“
    „Ich muß den Koffer zurücklassen, doch meine Barschaft ist bedeutend genug, um mich das verschmerzen zu lassen. Vorwärts!“
    Er steckte sein Portefeuille zu sich, ergriff Hut und Überrock und verließ die Wohnung, welche er sich genommen hatte, um diplomatische Erfolge zu erzielen. Die Droschke trug die beiden Flüchtlinge davon. –
    Es war am Abend desselben Tages. Das Lokal des Offizierskasino der Garde war hell erleuchtet und voll besetzt. Man ahnte, daß Leutnant Helmers erscheinen werde, und hatte sich deshalb in voller Zahl eingefunden, um ihm in plenum zu zeigen, daß man mit ihm nichts zu tun haben wolle.
    Die älteren Offiziere hatten sich am hinteren, großen Tisch zusammengefunden, während die jüngeren die anderen Stellen besetzt hielten und sich lebhaft unterhielten.
    Leutnant Ravenow, der Don Juan des Regimentes, spielte mit Golzen und Platen eine Partie Karambolage. Er hatte soeben wieder einen sehr leichten Ball nicht gemacht und stieß das Queue unmutig zur Erde.
    „Alle Teufel, geht mir dieser Ball hinten weg!“ meinte er. „Verfluchtes Pech im Spiel!“
    „Desto größeres Glück in der Liebe“, lachte Platen. „Soviel aber ist gewiß, daß du heute mit Kapitän Parkert nicht spielen darfst. Du bist zu zerstreut, und er ist ein Meister. Schone deine Börse.“
    „Parkert?“ fragte Golzen halblaut. „Pah, der kommt nicht.“
    „Nicht? Warum?“
    „Oh, mit dem haben wir uns göttlich blamiert!“
    „Möchte wissen, inwiefern!“
    „Hm! Man soll nicht davon reden“, flüsterte Golzen wichtig.
    „Auch nicht gegen Kameraden?“
    „Nur gegen verschwiegene allenfalls.“
    „Zu denen wir jedenfalls gehören. Oder nicht? Erzähle!“
    „Nun, ihr wißt, daß ich zuweilen bei Jankows bin –“
    „Beim Polizeirat? Ja. Man sagt, daß du seiner Jüngsten den Hof machst.“
    „Oder sie mir. Kurz und gut, ich war auch heute dort, und da habe ich denn erfahren, daß dieser Kapitän Parkert sozusagen ein politischer Schwindler ist, und nicht bloß das, sondern sogar ein wirklicher, ausgefeimter, gefährlicher Verbrecher.“
    Ravenow hatte eben das Queue angelegt, um einen Stoß zu tun. Er hielt erstaunt inne, blickte den Sprecher an und sagte:
    „Du scherzt, Golzen!“
    „Scherzen? Fällt mir gar nicht ein! Oder arretiert man vielleicht einen Menschen, den man für einen extraktionellen Kerl gehalten hat, ohne vorher zwingende Beweise in der Hand zu haben?“
    „Donnerwetter! Er ist arretiert worden?“
    „Man wollte ihn arretieren.“
    „Ah, man hat es aber nicht getan!“
    „Weil er ausgerissen ist!“
    „Echappiert? Parkert? Der bei uns Zutritt hatte? Weißt du das gewiß?“
    „Ebenso genau, als daß er den Kommissar, welcher ihn holen sollte, bis zur Besinnungslosigkeit gewürgt hat und dann einen Stock hoch durch das Fenster gesprungen ist.“
    „Alle Teufel, das ist ein Affront! Wer hätte das diesem so solid scheinenden Kerl zugetraut. Wir haben ihm hier trotz seiner bürgerlichen Abstammung Zutritt gegeben, weil er ein Yankee war und die Nordamerikaner ja keinen Adel haben. Aber so ist es stets: Gibt man sich mit Pack ab, so ist man auf alle Fälle blamiert. Wir haben nun desto größere Verpflichtung, uns gegen diesen Kameraden Helmers streng ablehnend zu verhalten.“
    „Mir scheint“, meinte Platen, welcher bereits beim Major Kurts Partei genommen hatte, „daß zwischen einen

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