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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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flüchtigen Verbrecher und einem brav gedienten Offizier denn doch ein kleiner Unterschied zu machen ist.“
    „Pöbel bleibt Pöbel, ob in Zivil oder in Uniform, das bleibt sich gleich“, antwortete Ravenow. „Man muß ihm den Dienst verleiden. Man muß dafür sorgen, daß er so bald wie möglich seine Versetzung fordert.“
    In diesem Augenblick trat der Oberst seines Regiments ein. Er wurde hier nicht sehr oft als Gast gesehen. Er kam gewöhnlich nur dann, wenn er irgendeine dienstliche Angelegenheit in freundlich kameradschaftlicher Weise behandeln wollte. Daher ahnte man bei seinem Eintritt sogleich, daß es sich um irgendeine Mitteilung handele, welche geeignet sei, das Interesse seiner Offiziere in Anspruch zu nehmen.
    Er setzte sich zu den älteren Herren am letzten Tisch, ließ sich ein Glas Wein geben und musterte die Anwesenden, welche ihn in dienstlicher Haltung begrüßt hatten. Seine Untergebenen warteten auf seine Erlaubnis, ihre vorherige Beschäftigung fortsetzen zu dürfen. Sein Blick fiel auf Ravenow, welcher trotz seiner Leichtlebigkeit sein erklärter Günstling war.
    „Ah, Ravenow“, sagte er, „spielen Sie immerhin Ihre Partie aus, aber sodann keine weitere.“
    „Ah, Herr Oberst, ich bin im Verlust, muß also um Revanche ersuchen“, antwortete der Leutnant.
    „Heute nicht; schonen Sie Ihre Beine und Ihre Kräfte!“
    „So gibt es morgen wohl Extraübung?“
    „Ja, aber nicht zu Pferd, sondern zu Fuß, und zwar mit jungen Damen im Arm.“
    Bei diesen Worten hoben alle die Köpfe empor.
    „Ja“, lachte der Oberst, „da gucken die Herren! Ich will Ihre Wißbegierde auf keine allzu harte Probe stellen, sondern Ihnen sogleich den Sachverhalt mitteilen, damit ich dann ungestört meine Partie Whist spielen kann.“
    So abweisend er sich gegen Kurt benommen hatte, so umgänglich konnte er sein, wenn er wollte, und wenn er sicher war, seiner Ehre keinen Schaden zu tun. Als jetzt die Herren sich näher um seinen Tisch zusammenzogen, meinte er:
    „Ja, es wird morgen eine leidliche Fußübung geben; man nennt diese Art Exerzitien gewöhnlich Ball.“
    „Ein Ball, eine Soiree, wo, wo?“ fragte es überall.
    „An einem Ort, an den Sie am allerwenigsten denken werden, meine Herren. Hier habe ich ein ganzes, großes Kuvert voll Einladungskarten, welche ich an sämtliche Offiziere meines Regimentes und deren nähere Kameraden verteilen soll. Es sind im ganzen sechzig Karten, und die Damen sind auch mit eingeladen.“
    „Aber von wem?“ fragte ein Major, der neben dem Obersten saß.
    „Ich wette zehn Monatsgagen, Herr Kamerad, daß Sie es nicht erraten. Denken Sie sich mein Erstaunen, als ich bei Anbruch des Abends dieses Kuvert erhielt, den Inhalt bemerkte und dabei folgendes Schreiben fand:
    Herrn Baron von Winslow, Oberst des ersten Gardehusarenregiments.
    Herr Oberst.
    Seine Majestät der König sind so freundlich gewesen, mir die Wohn- und Gartenräume Seines königlichen Schlosses Montbijou zu einer Soiree dansante, welche ich morgen abzuhalten gedenke, zur Verfügung zu stellen. Ich sende Ihnen die beifolgenden Karten, um sie an die Offiziere Ihres Regiments und deren nähere Kameraden zu verteilen, und bin überzeugt, daß ich Sie mit Ihrer Frau Gemahlin nebst Töchtern sowie auch die Damen der Herren Offiziere bei mir sehen werde.
    Ihr wohl affektionierter Ludewig III.
Großherzog von Hessen-Darmstadt.“
    Als der Oberst das großherzogliche Schreiben wieder zusammenfaltete und seine Augen über die Zuhörer schweifen ließ, begegnete er auf allen Gesichtern dem Ausdruck des Erstaunens.
    „Was hat das zu bedeuten?“ fragte der bereits erwähnte Major.
    „Diese Frage habe ich mir auch vorgelegt, aber ohne eine Antwort zu finden. Meine Frau – und die Herren wissen, daß die Frauen sich für äußerst scharfsinnig halten – meine Frau meinte, daß es von oben her im Werk sei, dem Großherzog unser Husarenregiment zu verleihen. Er hat im vergangenen Krieg Preußen feindlich gegenüber gestanden, und nun will Seine Majestät ihn vielleicht durch eine solche Auszeichnung an sich ketten.“
    „Wie ich höre, wurde er heute telegraphisch nach Berlin gerufen“, wagte Leutnant Golzen zu bemerken.
    „Woher wissen Sie das?“ fragte der Oberst schnell.
    „Sie wissen, Herr Oberst, daß die Herren Diener untereinander strenge Fühlung haben, und der meinige ist ein Schlaukopf, der voller Neuigkeiten steckt, wie eine Zeitung.“
    „Diese telegraphische Einladung ließe, wenn sich

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