47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
sicher in den Armen ihrer Seele verweilte. Sie spürte, wie der Wind nachließ und sah, dass die Oberfläche des Flusses ruhiger wurde, bis sie schließlich spiegelglatt war und den Himmel reflektierte, der ihr Frieden spendete … aber keinen Trost.
Nach Ako zurückzukehren und nach Hause zu kommen, war der Traum gewesen, der sie in ihrem langen Exil in Kiras Bergen aufrecht gehalten hatte. Doch obwohl die Aussicht von dieser Brücke so schön war wie immer, fühlte sie sich, als schaue sie durch die Augen einer Fremden. Was einst ihr Leben und ihre ganze Welt gewesen war, schien ihr jetzt so wenig vertraut, als hätte sie nie dort hingehört. Der Fluss ruhte zwar scheinbar, aber unter seiner ruhigen Oberfläche floss eine tiefe Strömung bis in alle Ewigkeit in Richtung Meer.
Auch das Leben war ein Fluss ohne Wiederkehr.
Veränderungen ließen nichts unberührt. Auch wenn sie den Garten ihres Vaters wieder zu früherer Schönheit brachte, würde es nicht ihren Vater zurückbringen. Und Burg Ako würde ohne ihn niemals ihr Zuhause sein … und ohne Oishi und all die anderen, die ihren stillen Wänden Leben eingehaucht hatten.
Ohne Kai
. Das letzte Jahr und besonders die Bilder des heutigen Tages hinterließen unauslöschliche Narben, die alle liebgewordenen Erinnerungen für immer verzerren würden.
Erst ihr Vater und jetzt die ergebensten Samurai ihres Vaters hatten das Leiden dieses Lebens hinter sich gelassen und Kai mitgenommen. Sie war zurückgeblieben mit all den Hoffnungen und Träumen, die sie für ihre Zukunft gehegt hatte.
Ihre Hände fingen an zu zittern, und ihre Fingerknöchel wurden weiß, als sie das Geländer der Brücke umklammerte. Was blieb ihr noch, das irgendeine Bedeutung hatte …?
Ako. Ako blieb ihr
, sagte sie sich nachdrücklich,
und jetzt war sie seine Beschützerin
.
Das Land Ako war ihr Erbe und ihre Verantwortung. Wie konnte sie es wagen, den Sinn ihres Lebens in Frage zu stellen, wenn so viele gute Menschen gestorben waren, um es zu schützen?
Sie würde weiterleben und Ako zu einem Abbild dessen machen, woran die Ronin geglaubt hatten und was ihrem Vater und ihr wichtig gewesen war
… Das schwor sie ihnen und sich in diesem Moment.
Die Männer, die ihr Leben und die Seele ihres Vaters gerettet hatten, waren nur unvollkommene und verwundbare Menschen gewesen – keine Legenden oder Götter. Doch sie hatten dem Himmel bereitwillig als Augen und Hände gedient. Man würde sich an das erinnern, was sie getan hatten … nicht nur in Ako oder in ihrem Herzen, sondern in den Herzen aller, die ihre Geschichte hörten … denn sie hatten es selbstlos getan, um anderer Willen.
Sie wusste, dass die Menschen Japans solche Männer für immer ehren würden – Männer, deren Glaube an Recht und Gerechtigkeit stärker gewesen war als die Angst vor dem Tod. Gerechtigkeit und selbstloser Mut waren in Friedenszeiten genauso selten wie in Kriegszeiten.
Sie straffte sich, hob den Kopf und betrachtete wieder die Aussicht. Von jetzt an würde sie ihren eigenen, viele Jahre dauernden Kampf gegen alle Widrigkeiten führen, um ihre Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Stärke würden ihr diejenigen verleihen, die sie verloren hatte, aber immer lieben würde. Und die Zeit würde wie im Fluge vergehen, wenn sie ihrem Schwur genauso treu blieb, wie die Männer, die sie damit ehrte, es gewesen waren.
Sie berührte das Asano-
mon
, das auf ihrer ärmellosen Jacke eingestickt war: die
taka no ha
, die Falkenfedern, die das Haus Asano und seine Samurai symbolisierten, die nicht länger Ronin waren. An einem solchen Tag, wenn die Luft so klar war, dass man bis zum Meer schauen konnte, hatte sie schon immer geglaubt, dass der Himmel die Ewigkeit überspannte. Sie musste nur tief genug in die Vergangenheit schauen, und ihr Geist würde die Geister ihrer Ahnen finden und ihre Seelen würden sich kreuzen, wie die Federn auf ihrem
mon
, und sie würde sie um ihren Segen bitten.
Und wenn sie nach vorn schaute, in die Zukunft …
Ihre Hand blieb an der Stelle über ihrem Herz liegen, wo sich Kais Gedicht befand. Diejenigen, die sie am meisten geliebt hatte, würden ihr dabei helfen, sich an die Dinge im Leben zu erinnern, für die es sich lohnte, zu leben, bis ihr Schwur erfüllt und auch sie endlich frei war.
Und dann, irgendwo in der Unendlichkeit des Blaus, würden die Wege zweier Geister sich kreuzen wie die Federn auf ihrem
mon
. Wie ein Taucher eine Perle in den Schatten des Meeres erspähte, würde
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