47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
wenn die zwei nach der Hacienda zurückkehren!“
„Brauchen Sie dieselben nicht?“
„Ich glaube nein. Wenn die Franzosen in der Stadt liegen, können wir mit Gewalt nichts tun. Wir sind auf List angewiesen, und da ist es sogar sehr leicht möglich, daß uns diese Leute im Weg sein würden.“
„Sie wollen Cortejo in Ihre Hand bekommen?“
„Ja.“
„Und seine Tochter ebenfalls?“
„Natürlich.“
„Nun, so brauchen Sie sich ja nur an die Franzosen zu wenden. Wenn sie erfahren, daß sich der lächerliche Prätendent Cortejo in dem Kloster befindet, so werden sie nicht zögern, ihn sich ausliefern zu lassen.“
„Daran liegt mir nichts. Ich muß Cortejo für mich haben, aber nicht für die Franzosen. Wollen Sie so gut sein, und mir einmal genau den Weg beschreiben, welcher in den unterirdischen Raum führt, von welchem Sie vorhin erzählten?“
„Recht gern!“
Emilia tat es so genau wie möglich und erklärte auch die geheimnisvolle Weise des Öffnens der verborgenen Türen.
„Das habe ich begriffen“, meinte Sternau. „Aber die Schlüssel. Woran werde ich sie erkennen?“
„Daran, daß sie untereinander neben dem Vogelbauer hängen, welcher sich neben dem Fenster befindet. Beide sind Hohlschlüssel.“
„So weiß ich für jetzt genug, Señorita. Sie ziehen also vor, gleich von dieser Stelle aus nach Mexiko zu gehen?“
„Ja, nämlich, wenn Sie mir die versprochene Begleitung mitgeben.“
„‚Büffelstirn‘ wird das Ihnen und mir nicht abschlagen. Aber, ist dieses Pferd Ihr Eigentum?“
„Nein. Ich habe es geliehen, werde es aber dem Knecht abkaufen und es ihm so bezahlen, daß sein Herr zufrieden sein kann.“
„Sind Sie da mit hinlänglichen Mitteln versehen, oder dürfte ich Ihnen zu Diensten stehen?“
„Ich danke! Juarez hat mich ausgerüstet.“
„Aber Ihre Effekten?“
„Einiges habe ich bereits bei mir, und das übrige werden mir die Franzosen sicher nachbringen, obgleich sie noch nicht wissen, wohin ich heute geritten bin.“
„Ich würde Ihnen dies gern besorgen, aber leider ist es mir unter den gegenwärtigen Umständen unmöglich.“
„Warum?“
„Diese Herren Franzosen haben mich ja in Chihuahua gesehen und würden mich erkennen. Der Empfang dürfte nicht zu meinem Vorteil sein.“
„Das ist wahr. Sie dürfen sich also gar nicht sehen lassen?“
„Nein. Wann sind Sie von Santa Jaga aufgebrochen?“
„Am Morgen gegen sieben Uhr.“
„So werden wir voraussichtlich bei Nacht dort ankommen. Das paßt; da kann man uns nicht sehen. Wollen Sie mir die Wohnung des Paters beschreiben, damit ich sie gleich finde?“
Emilia tat dies und zog dann ihre Abschriften hervor, um sie Sternau zu übergeben. Dieser machte ‚Büffelstirn‘ mit dem Zweck und der Bestimmung derselben bekannt, und bald ritten auf Befehl dieses Häuptlings zwei der Mixtekas mit den wichtigsten Schriften nach der Hacienda zurück. Die anderen machten sich bereit, die Señorita nach der Hauptstadt zu begleiten.
Die beiden Knechte waren mit dem Preis, welchen Emilia ihnen für das Pferd bot, sehr zufrieden und überließen es ihr. Als sie in den Sattel gestiegen war, fragte Sternau nochmals:
„Sie wissen also gewiß, daß die gestern angekommenen Personen keine anderen waren als Cortejo und seine Tochter?“
„Ganz gewiß; denn erstens nannte er sich selbst Pablo Cortejo, und sie nannte ihn Vater, während er Josefa zu ihr sagte.“
„Und zweitens?“
„Zweitens sah ich gestern abend, daß ihm ein Auge fehlt.“
„Dann ist er es ohne Zweifel.“
„Ich bin überzeugt davon. Aber Señor, nehmen Sie sich ja vor diesem Pater Hilario in acht!“
„Keine Sorge, Señorita! Dieser Mann wird uns nicht gefährlich werden. Haben Sie an Juarez etwas auszurichten!“
„Für jetzt nichts. Leben Sie wohl!“
„Reisen Sie glücklich!“
Sie ritt mit den Mixtekas davon, und zwar rückwärts in einen spitzen Winkel mit der Richtung, aus welcher sie gekommen war.
Auch die beiden Knechte kehrten zurück. Sie hatten von der Unterredung Sternaus mit Emilia kein Wort vernommen. Jetzt fragte Helmers:
„Hätten wir nicht die Mixtekas bei uns behalten sollen, Herr Doktor? Wir sind ja vier Personen, aber wir wissen ja nicht, was uns passieren kann. Es ist doch der Fall möglich, daß wir ihre Hilfe gebrauchen könnten.“
„Ich glaube nicht. Dieser Pater soll uns so leicht keinen Schaden bringen. Er wird uns Cortejo ausliefern müssen. Haben wir etwas unterlassen, so ist es, daß wir den
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