47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
Euch erkundigt?“
„Ja, aber es paßt verteufelt schlecht nach Mexiko.“
„Wieso?“
„Es gibt kein Schiff dorthin. Ein einziger Dampfer liegt da, der übermorgen in See sticht, aber er geht nach Rio de Janeiro.“
„Das ist ja gut.“
„Wieso?“
„Wenn wir an Bord kommen, entgeht Ihr hier den Augen der Polizei und in Rio finden wir allemal Gelegenheit nach Mexiko.“
„Das mag sein. Aber wie an Bord kommen. Man kennt mein Signalement, besonders hier in Barcelona.“
„Nichts leichter als das. Wißt Ihr, was eine Perücke ist?“
„Eine Kopfbedeckung für Kahlköpfige“, lachte Landola.
„Und wißt Ihr, was ein falscher Bart ist?“
„Eine Gesichtsbedeckung für Spitzbuben.“
„Und wißt Ihr, was man unter colle de face versteht?“
„Ah, das ist jener berühmte französische Gesichtskleister, mit dessen Hilfe sich eine alte Frau in ein junges Mädchen verwandeln kann. Man füllt damit sogar die tiefsten Falten aus.“
„Und wißt Ihr, was ein falscher Paß ist?“
„Eine Erfindung des Teufels, zum Besten seines Familienzirkels.“
„Nun gut, das alles werde ich Euch verschaffen.“
„Perücke?“
„Ja.“
„Die mir paßt?“
„Ja. Meine Auswahl ist groß genug.“
„Auch in falschen Bärten?“
„Ja.“
„Und Gesichtsschmiere?“
„Habe ich topfweise.“
„Und falsche Pässe?“
„Ein ganzes Ries.“
„Señor Cortejo, man sieht wirklich, daß Ihr ein Spitzbube seid!“
„Danke! Ich werde alle diese Sachen auch für mich brauchen.“
„Ihr wollt Euch auch verkleiden?“
„Natürlich!“
„Aber warum?“
„Könnt Ihr das nicht begreifen? Wir treffen da drüben jedenfalls Sternau und andere Bekannte, welche nicht wissen dürfen, wer wir sind.“
„So hat es mit der Verkleidung Zeit, bis wir drüben sind.“
„O nein. Wir haben vielleicht gar keine Gelegenheit, Namen, Gestalt und Pässe zu wechseln. Wir können doch kein Schiff, kein Haus, keinen Ort anders verlassen, als wir da angekommen sind.“
„Das würde allerdings Verdacht erwecken.“
„So hört! Ich reise als Don Antonio Veridante, Advokat und Bevollmächtigter des Grafen Alfonzo de Rodriganda.“
„Donnerwetter! Ich begreife.“
„Ich habe die Verhältnisse der mexikanischen Besitzungen dieses Herrn zu inspizieren.“
„Natürlich!“
„Und ich bin mit ausreichenden Vollmachten versehen.“
„Die Ihr Euch selbst ausstellt.“
„Auch der Paß macht keine Schwierigkeiten. Auch nehme ich Legitimationen auf meinen echten Namen mit, um für alle Fälle gerüstet zu sein.“
„Ihr seid sehr umsichtig.“
„Natürlich brauche ich einen Secretario.“
„Wo werdet Ihr ihn finden?“
„Ich habe ihn bereits.“
„Ah, so ist der Plan schon längst fertig?“
„Nein, er wird im Gegenteil eben erst entworfen.“
„Sapperment! Der Sekretär oder Schreiber soll wohl ich sein?“
„Natürlich!“
„Auf diese Standeserhöhung kann ich mir viel einbilden.“
„Ihr habt recht. Ein Secretario ist jedenfalls mehr wert, als ein Spitzbube, wie Ihr Euch vorhin genannt habt.“
„Aber dieser Secretario kann auch einer sein?“
„Möglich.“
„Und sein Herr, der Advokat, ein noch größerer.“
„Nehmt Euch in acht, sonst lasse ich Euch hier sitzen, und Ihr mögt sehen, wie Ihr mit der Polizei fertig werdet. Habt Ihr noch etwas zu fragen?“
„Nein. Es genügt mir, zu wissen, wann und wo wir uns treffen.“
„Getraut Ihr Euch, am Tag die Stadt zu verlassen?“
„Nein. Zumal ich einiges Gepäck bei mir habe.“
„So bin ich gezwungen, bis zur Dunkelheit hier zu bleiben. Sobald sie eingetreten ist, begebt Ihr Euch bis zum Anfang des ersten Wäldchens an der Straße nach Manresa. Kommt eine Kutsche, so pfeift Ihr den Anfang der Marseillaise, an welchem ich Euch erkennen werde. Ich will in den Hafen, um mich zu erkundigen. Adieu!“
„Adieu!“
Die beiden Söhne des Verbrechens gingen auseinander.
„Verdammt!“ murmelte Landola, als er sich allein befand. „Sind diese Kreaturen glücklich entkommen. Welch eine Unvorsichtigkeit, mich während dieser langen Zeit nicht einmal zu erkundigen. Freilich, mir kann ihre Rückkehr weniger schaden. Ich brauche mich einfach nur zu verbergen. Aber dieser Cortejo und seine Sippe, sie sind verloren, sobald es ihm nicht gelingt, der Gefahr gleich anfangs zu begegnen. Fünfzigtausend Dollar. Ah, ich habe noch nicht ja gesagt! Er soll bluten, er soll zahlen! Und dann suche ich mir irgend einen schönen, verborgenen
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