47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
aufgehoben. Es bestand aus einem Mönchs- und einem Nonnenkloster. In dem letzteren haben sich viele Töchter vornehmer Familien befunden, die dort erzogen wurden. Juarez meinte, es sei in den beiden Klöstern Unfug getrieben worden. Er hob es auf und machte eine Kranken- und Irrenanstalt daraus. Was gingen ihn die Klöster an? Sind die Nonnen und Mönche nicht auch Menschen?“
„Das ist wahr“, lachte Cortejo.
„Mein Oheim war Superior. Jetzt ist er bloß ärztlicher Gehilfe. Er glüht von Haß gegen Juarez und wird uns mit Freuden aufnehmen.“
„Aber die anderen? Seine jetzigen Vorgesetzten?“
„Um diese kümmert er sich gar nicht; denn sie werden gar nicht bemerken, daß wir uns im Kloster befinden.“
„Ich denke im Gegenteil, daß unsere Gegenwart sofort bekannt werden wird. Man muß uns doch sehen und wird sich dann natürlich auch nach uns erkundigen.“
„Nein, man wird uns nicht sehen. Das Kloster hat so viele geheime Gemächer und Gänge, daß wir um unsere Sicherheit und um gutes Unterkommen gar keine Sorge zu haben brauchen.“
„Sind diese Gänge und Gemächer nicht bekannt?“
„Nein. Mein Oheim ist der einzige, der sie kennt. Die anderen Brüder des Ordens wurden nach allen Winden zerstreut, und nur Pater Hilario durfte bleiben, weil er in der Heilkunde sehr erfahren war.“
„Das wäre allerdings sehr vorteilhaft für uns. Ich werde mir diesen Plan überlegen. Jetzt aber wollen wir still sein und ruhen. Wir wissen nicht, welche Anstrengungen der nächste Tag bringen wird. Ihr könnt versuchen ein wenig zu schlafen. Ich werde wachen.“
Jetzt trat tiefe Stille ein, und da auch die Pferde kein Geräusch verursachten, so hätte ein zufälligerweise in der Nähe kommender Mensch nicht ahnen können, daß hier dreizehn Männer lagen, welche, kaum dem Tod entgangen, doch schon wieder gegen die gesellschaftliche Ordnung ihre Pläne schmiedeten.
Sie alle brachten es über sich, zu schlafen, nur Cortejo wälzte sich ruhelos hin und her. Sein Unternehmen am Rio Grande, von dem er sich so viel versprochen hatte, war gescheitert und er selbst als halbblinder Mann von demselben zurückgekehrt. Anstatt hier ein Asyl zu finden, hatte er die Hacienda verloren, und auch seine Tochter war gefangen. Geächtet und des Landes verwiesen, wußte er nicht aus noch ein. Er schmiedete jetzt rachsüchtige Entwürfe und wurde in seinem Denken und Grübeln durch die Sorge gestört, welche ihm das lange Ausbleiben des Jägers verursachte.
Schon begann sich im Osten ein leichter, grauer Streifen zu bilden, um den Horizont anzudeuten, hinter welchem später die Sonne erscheinen werde, da hörte Cortejo am Eingang der Schlucht ein Steinchen rollen. Sofort sprang er auf und fragte mit halblauter Stimme, indem er zugleich zur Waffe griff:
„Wer ist da?“
„Gut Freund!“ antwortete es mit ebenso gedämpfter Stimme.
„Aber wer?“
„Grandeprise.“
„Gott sei Dank!“
Diese Worte sprach Cortejo mit einem so tiefen Seufzer, daß man deutlich hören konnte, welche Beklemmung ihn bisher beherrscht hatte. Die anderen waren erwacht und erhoben sich. Grandeprise stand bereits bei ihnen.
„Nun, wie ist es ausgegangen?“ frage Cortejo.
„Ziemlich gut“, antwortete der Amerikaner.
„Habt Ihr Nachricht?“
„Ich weiß, daß Eure Tochter noch lebt.“
„Ach! Welch ein Glück! Wie habt Ihr es erfahren?“
„Ich habe es erlauscht. Aber ich weiß noch viel Wichtigeres.“
„O, das Wichtigste ist, daß Josefa nicht tot ist. Werden wir sie befreien können?“
„Das ist noch sehr ungewiß, Señor.“
„Sie muß frei werden. Ich werde mein Leben daransetzen. Und Ihr habt mir ja versprochen, auch Euer möglichstes zu tun.“
„Hm, ja!“ dehnte der Jäger. „Aber ich habe nicht gewußt, welche berühmten Leute wir gegen uns haben.“
„Berühmte? Doch nur diese Mixtekas.“
„Ja, wenn es doch nur diese wären! Aber wißt Ihr, unter wem diese Indianer stehen?“
„Nun, doch unter irgendeinen ihrer sogenannten Häuptlinge?“
„Allerdings. Aber dieser Häuptling ist ein ganzer Kerl und wiegt schwerer als mancher mexikanische General.“
„Ich kenne keinen Mixtekas, auf den man diese Worte anwenden könne.“
„Nicht? Habt Ihr noch nie von ‚Büffelstirn‘ gehört?“
„‚Büffelstirn‘? Der ist ja tot!“
„Fällt ihm nicht ein. Er ist auf der Hacienda.“
„Unmöglich! Das ist ein Irrtum! Dieser Mann ist bereits seit beinahe zwanzig Jahren tot.“
„So hat man allerdings
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