47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
so schlimm. Sobald ich sah, daß jemand in meine Nähe kam, streckte ich mich lang hin und stellte mich tot, gerade als ob ich einer der eurigen bin, der beim Überfall niedergestreckt wurde. So lag ich an den Palisaden und belauschte das Gespräch mehrerer Mixtekas. Dadurch erfuhr ich, daß der ‚Fürst des Felsens‘, ‚Donnerpfeil‘, ‚Bärenherz‘ und ‚Büffelstirn‘ anwesend seien. Ich sah diese vier auch, einen nach dem anderen, durch eine Lücke in den Palisaden. Drin im Hof brannte ein Feuer, welches alles beleuchtete.“
„Und doch muß es eine Täuschung sein!“ sagte Cortejo.
„Es ist die Wahrheit. Wollt Ihr Euch überzeugen, so könnt Ihr Sternau auch sehen.“
„Ah! Wo?“
„Bei einem Steinbruch hier in der Nähe, ich weiß aber nicht wo.“
„Ist Sternau dort?“
„Jetzt nicht, aber er wird nach dem Anbruch des Tages hinkommen, um die Toten dort zu begraben.“
„Ich muß ihn sehen!“
„Tut das, Señor Cortejo“, sagte der Jäger, ein wenig ironisch.
„Ihr werdet mich begleiten!“
„Ich? Fällt mir gar nicht ein. Ich habe jetzt meine Haut riskiert; ich werde sie aber nicht bei hellem Tag zu Markt tragen.“
„Ist das so gefährlich?“
„Wollt Ihr am hellen Tag diesen Sternau nebst einigen hundert Mixtekas beschleichen? Das bildet Euch um Gotteswillen nicht ein!“
„So muß ich darauf verzichten!“
„Ich rate es Euch.“
„Ihr seid vollständig überzeugt, daß die vier genannten Männer leben und auf der Hacienda zugegen sind?“
„Ich habe sie ja gesehen!“
Cortejo wußte ja nicht, was er denken sollte. Er sagte sich, daß Landola ihn fürchterlich getäuscht haben müsse, wenn es wahr sei, das diese Personen nicht tot seien, und er beschloß, sich an ihm zu rächen, vor allen Dingen aber die vier unschädlich zu machen. Zugleich sagte er sich, welche Gefahr seiner Tochter drohe, die sich in der Gewalt ihrer ärgsten Feinde befand.
„Ihr sagtet, meine Tochter lebe noch?“ frage er.
„Ja. Sie ist gefangen.“
„Wie behandelt man sie?“
„Das weiß ich nicht.“
„Man wird sie in ihrem Zimmer bewachen.“
„O nein. Man hat sie in dem Keller eingeschlossen, in welchem Señor Arbellez verschmachten sollte.“
„Himmel! So soll sie vielleicht auch verschmachten?“
„Möglich.“
„Woher wißt Ihr das, was Ihr über sie sagt?“
„Die Mixtekas sprachen davon.“
„Sie muß befreit werden! Ist jetzt nichts zu tun, Señor Grandeprise?“
„Gar nichts. Doch müssen wir uns beeilen. Ich sah einige Männer fortreiten und hörte, daß sie bestimmt seien, Juarez Nachricht zu bringen.“
„Alle Teufel! So kommt er vielleicht gar.“
„Das steht zu erwarten. Er wird ein ganzes Heer mitbringen, und dann ist es zu spät, Eure Tochter herauszubekommen.“
„Was tun? Was tun?“ fragte Cortejo voller Angst.
„Das läßt sich jetzt noch nicht sagen. Der Tag bricht an. Wir dürfen nicht gesehen werden und müssen uns verbergen. Vielleicht kommt mir während des Tages ein guter Gedanke. Jedenfalls aber werde ich den Abend dazu benutzten, noch einmal zu spionieren, dann wird es sich zeigen, was übermorgen zu tun ist. Länger dürfen wir nicht warten.“
„Schon das ist zu lange.“
„Verlangt nichts Unmögliches, Señor Cortejo. Hätte ich Euch nicht mein Wort gegeben und meine Hilfe zugesagt, so würde ich mich hüten, gegen Männer zu intrigieren, denen ich nicht gewachsen bin und denen meine Bewunderung gehört. Kennt Ihr einen Platz, wo man ein Versteck findet?“
„Ja.“
„Wo?“
„Im Norden der Hacienda liegt ein Wald.“
„Das ist nichts. Wir müßten an del Erina vorüber und wären zu einem großen Bogen gezwungen. Dabei würde es völlig hell, und wir könnten von den umherschweifenden Mixtekas bemerkt werden. Ich entsinne mich, damals, als ich auf der Hacienda war, im Westen einen bewaldeten Berg bemerkt zu haben. Kennt Ihr ihn?“
„Ihr werdet den Berg el Reparo meinen.“
„Er trägt doch viel Wald, in welchem man sich verbergen kann?“
„Ja. Wollt Ihr hin?“
„Es wird das beste sein. Wir sind in sicherer Entfernung von der Hacienda und doch auch so nahe, daß ich sie am Abend leicht erreichen kann.“
„So wollen wir von hier aufbrechen?“
„Ich schlage es vor. Der Morgen wird immer heller. Steigen wir zu Pferd und machen wir uns aus dem Staub, ehe es möglich ist, uns von weitem zu entdecken. Aber einen Umweg müssen wir trotzdem machen. Man könnte unsere Spur entdecken und ihr eine Zeit lang
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