47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
weiß es. Sie kamen und stiegen ab. Sie gingen nach der Wachstube und sagten da, daß sie mit Señorita Josefa reden wollten.“
„Dies wurde ihnen erlaubt?“
„Nein. Man verweigerte es ihnen. Der eine von ihnen aber schlug den Wachtmeister nieder, und dann gingen die beiden hinauf zur Señorita.“
„Und dann?“
„Nun, dann fiel oben bei der Señorita ein Schuß. Zu gleicher Zeit ertönte rund um die Hacienda ein schreckliches Geheul, und von allen Seiten drangen die Feinde auf uns ein.“
„Wie viele Männer befanden sich in der Wachstube?“
„Es mögen über zwanzig gewesen sein.“
„Über zwanzig?“ wiederholte Grandeprise halb erstaunt und halb spöttisch. „Und diese zwanzig ließen es sich gefallen, daß der Wachtmeister niedergeschlagen wurde?“
„Was sollten wir dagegen machen?“
„Ihn selbst niederschlagen!“
„Ah! Ihr hättet ihn sehen sollen! Er sagte nicht, wer er war. Er trat so auf, als ob er ein Bote oder ein Verbündeter von Señor Cortejo sei. Er tat ganz so, als ob er zu befehlen habe.“
„Wie ich nach allem, was ich erfahren habe, vermuten darf, hatte doch nur Señor Cortejo auf der Hacienda zu befehlen!“
„Allerdings! Aber einige hielten ihn für den ‚Panther des Südens‘.“
„Der ist allerdings Verbündeter von Señor Cortejo. Aber sagtet Ihr nicht, daß dieser Mann ein Weißer gewesen sei?“
„Ja.“
„Und der ‚Panther des Südens‘ ist ja doch ein Indianer!“
„Wer denkt in einem solchen Augenblick an alles!“
„Beschreibt mir den Mann einmal!“
Dies geschah. Grandeprise hörte aufmerksam zu, schüttelte nachdenklich den Kopf und sagte dann:
„Einen solchen Mann, so riesenhaft gebaut, mit einem so langen Bart und genauso gekleidet und bewaffnet, habe ich neben Juarez da unten am Sabinafluß gesehen. Ob es der sein wird?“
„Wer war es?“ fragte Cortejo.
„Ich weiß es nicht. Aber Juarez schien sehr viel auf ihn zu geben.“
„Sagtest du nicht, daß im Zimmer meiner Tochter ein Schuß gefallen sei?“ fragte Cortejo den Sprecher.
„Ja.“
„Heilige Jungfrau! Man hat sie erschossen!“
„Das glaube ich nicht“, meinte Grandeprise. „Nicht wahr, sobald der Schuß erschollen war, begann der Überfall?“
„Ja“, antwortete der Berichterstatter.
„Nun, so ist der Schuß einfach das Zeichen des Angriffs gewesen, und Ihr braucht keine Angst zu haben, daß Eurer Tochter etwas geschehen ist.“
„Aber dann ist sie jedenfalls doch wenigstens Gefangene!“
„Allerdings.“
„Man muß sie befreien!“
„Nötigenfalls. Ich werde Euch dabei helfen, so gut und so viel ich kann.“
„Wäre es da nicht geraten, gleich jetzt die nötigen Schritte zu tun?“
„Hm!“ brummte der Jäger. „Das ist gefährlich. Welche Schritte meint Ihr denn dabei, Señor?“
„Ich weiß es nicht. Aber sagtet Ihr nicht, daß Ihr es verständet, einen Ort zu belauschen?“
„Das habe ich gesagt. Aber dieser Ort ist hier von tausend Indianern umgeben und bewacht.“
„Morgen auch. Und jetzt bei Nacht ist das Lauschen leichter als morgen am hellen Tag.“
„Das denkt Ihr bloß. Jetzt suchen die Roten noch die ganze Gegend nach Flüchtlingen ab. Erwischt man mich, so hält man mich für einen von Euren Leuten, und ich bin verloren. Morgen am Tag aber, wenn ich offen nach der Hacienda reite, wird man es glauben, daß ich ein Amerikaner bin.“
„Aber was kann bis dahin Schlimmeres geschehen!“
„Das ist allerdings richtig“, meinte Grandeprise nachdenklich.
„Señor Grandeprise, ich bitte Euch um Gottes willen; tut, was Ihr tun könnt, und tut es so bald wie möglich.“
„Es ist sehr gefährlich! In welcher Richtung liegt die Hacienda?“
„Gerade dorthin“, antwortete der Berichterstatter, den Arm ausstreckend.
„Und wie lange geht man, um sie zu erreichen?“
„Eine halbe Stunde ungefähr.“
„So will ich es wagen. Ich gehe hin.“
„Ich danke Euch!“ sagte Cortejo. „Ihr sollt es nicht bereuen, Euch für mich und meine Tochter in Gefahr begeben zu haben!“
„Haltet Wort, Señor. Ich erinnere Euch an Henrico Landola. Aber es ist in dieser Dunkelheit nicht leicht, diese Schlucht zu finden. Kennt ihr den Ruf der großen mexikanischen Wasserunke?“
„Wir alle.“
„Kann ihn einer von euch nachmachen?“
„Ich“, antwortete einer.
„Nun gut. Sollte ich die Schlucht nicht gleich wiederfinden, so werde ich diesen Ruf ausstoßen, und Ihr antwortet. Man hört ihn in stiller Nacht sehr weit. Ich werde
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