49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
Überblick auf das Lager des Beduinenstammes. Es bildete eine lange Doppelreihe von Zelten. Außerhalb dieser Zelte weideten die Herden, auf der einen Seite die Pferde und wenigen Rinder und auf der andern die Kamele und zahlreichen Schafe.
Als die beiden Reiter sich den Zelten näherten, hatten sich alle männlichen Bewohner des Lagers auf die Pferde geworfen und kamen ihnen schießend und schreiend entgegengesprengt, um Steinbach, den neuen Gast, zu begrüßen. Und dann, als sie die Gasse hinauf ritten, um sich nach dem Zelt des Scheiks zu begeben, standen zahlreiche Frauen und Mädchen vor den Türen, um den unbekannten Ankömmling zu betrachten.
Ein einziger Mann nur schien es vermieden zu haben, dem neuen Ankömmling entgegenzureiten. Er stand in reservierter Haltung vor einem der Zelte und betrachtete mit finsterem Blick bereits von weitem scharf den Deutschen. Es sprach sich in seinem Gesicht eine gewisse Besorgnis aus. Dasselbe zeigte den Typus des Arabers mit demjenigen des Negers vermischt. Die Nase war eine fast kaukasische, aber die stark aufgeworfenen Lippen und die hervortretenden Backenknochen waren ein sicherer Beweis, daß das Blut der schwarzen Rasse in seinen Adern rolle. Und schwarz, in ein häßliches Grau hinüberspielend, war die Farbe seines Gesichts. Dieser Mann war der Tuareg der von dem Obersten vorhin erwähnt worden war. Die Tuaregs wohnen in der eigentlichen Wüste, zwischen den Arabern und Negern, und tragen häufig die Eigentümlichkeiten beider zur Schau.
Er war nur mit einem tief herabreichenden, sehr schmutzigen Hemd bekleidet, aus dessen weiten Ärmeln seine dunklen, sehnigen Arme hervorschauten. In der Rechten hielt er, gleich einem Spazierstock, die fürchterliche Wurflanze der Tuaregs, und an jedem seiner Handgelenke war mittels einer Kette ein scharfes, zweischneidiges Messer befestigt. Die Tuaregs umarmen nämlich im Kampf ihren Feind und stoßen ihm dann diese beiden Messer von hinten in die Lunge.
Eben als Steinbach herangekommen war, wandte sich der Tuareg schnell um. Er hatte ein Geräusch gehört. Der Vorhang des Zeltes war geöffnet worden, und ein Mädchen, anscheinend um den Gast zu sehen, herausgetreten.
„Was fällt dir ein?“ brüllte er sie zornig an. „Schnell hinein, sonst, bei allen Teufeln der Hölle, steche ich dir das Messer in den Leib!“
Der Tuareg biß dabei die Zähne grimmig zusammen. Er sah ganz so aus, als ob er dem kleinen Vergehen eine schwere Strafe folgen lassen wolle. Sie fuhr erschrocken zurück und verschwand augenblicklich.
Aber dennoch hatte Steinbach die eigenartig schöne Gestalt vollständig gesehen. Welch ein wunderbares Gesicht war das gewesen! Wunderbar in seiner Zeichnung und schwer zu erforschen in seinem Ausdruck. Sie war unverschleiert gewesen. Während nämlich die in den Städten wohnenden Maurinnen ihr Gesicht stets verhüllen, nehmen die Töchter der frei umherziehenden Beduinen es damit nicht so genau. Sie wissen, daß sie sich sehen lassen können und sind auch zu stolz, um durch das stetige Verschleiern indirekt einzugestehen, daß irgendeine Herzensgefahr ihnen drohen könne, wenn sie ihre Züge zeigen.
Diese junge Wüstenbewohnerin, die so rasch wieder hatte verschwinden müssen, war von hoher, trotz ihrer Jugend, bereits üppiger Gestalt, während sonst die Beduinenmädchen schlanken, zierlichen Gliederbau besitzen. Ihre schönen Formen waren unter der leichten, dünnen Hülle sehr deutlich zu bemerken, da sie nur eine aus feinstem Stoff gefertigte Hose und ein ebensolches Jäckchen trug das über der Brust weit auseinanderging und das schleierartige, fast durchsichtige Leibhemde sehen ließ.
Wären ihre Züge nicht echt orientalische gewesen, so hätte man sie dieser blendenden Weiße wegen für eine nordische Europäerin halten können. Jedenfalls hatte diese bezaubernde Araberin es niemals nötig gehabt, sich wegen irgendeiner Beschäftigung den Strahlen der Sonne auszusetzen. Ihre Hautfarbe ließ auf eine hohe, vornehme Abkunft schließen.
Ihre großen dunklen Augen waren von einer samtartigen Weichheit und hatten auf Steinbach einen Moment wie in inniger Bitte geruht. Die Zöpfe ihres nachtdunklen Haares aber hingen lang und stark bis fast zur Erde herab und waren mit eingeflochtenen Gold- und Silberstücken, Korallen und polierten Löwenzähnen geschmückt. Diese letztere Art des Schmucks ließ erraten, daß die männlichen Angehörigen ihrer Familie tapfere und unerschrockene Krieger und Jäger seien
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