49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
lallte:
„Ich – nicht betrunken – ich – krank!“
„Gut, ja, du bist krank! Du warst bereits heute früh krank“, antwortete der Führer, der auf diese Weise seinen Fehler wiedergutmachen wollte.
„Ja krank – habe – Schwindel. Blut im – im – Kopf!“
„Herr“, raunte da schnell der Führer dem Deutschen zu, „erklären wir ihn doch für krank!“
Doch fast im selben Augenblick sagte eine höhnische, lachende Stimme:
„Krank? Schwindel? Das ist eine Lüge. Was hast du getrunken?“
Der Sprecher war der Tuareg. Wie er dem Deutschen nicht gefallen hatte, so war auch dieser ihm widerwärtig erschienen, und ihre Antipathie war eine gegenseitige, obgleich sie sich nur für einen Augenblick gesehen hatten. Der Tuareg hatte das Gefühl, daß der Deutsche ihm gefährlich sei.
„Arznei!“ antwortete der Diener.
„Oh, wollen sehen! Komm, steig ab!“
Der Trunkene nahm die ihm noch übriggebliebene Besinnung zusammen und glitt aus dem Sattel, was ihm auch ziemlich gelang. Doch mußte er sich dann sogleich am Arm des Führers festhalten. Da trat Steinbach plötzlich zwischen ihn und den Tuareg und fragte:
„Wer bist du denn eigentlich, daß du dich hier zum Richter aufwirfst? Bist du vielleicht der Beherrscher dieses Lagers? Von wem hast du das Recht erhalten, dich um die Krankheiten anderer zu bekümmern?“
„Krankheiten? Fremder, glaubst du, daß ein Krieger der berühmten Tuaregs nicht zu unterscheiden wisse zwischen Krankheit und Betrunkenheit?“
„Gibt es denn bei den Tuaregs so viele Kranke und so viele Betrunkene, daß man sich bei ihnen diese Kenntnisse so leicht erwerben kann?“
Der Angeredete erhob sofort die Arme und nahm die an den Gelenken hängenden Messer in die Fäuste.
„Willst du mich beleidigen?“ fragte er zornig.
„Nein. Doch hoffe ich, daß du dich um meinen Diener ebensowenig bekümmerst, wie ich von den Tuaregs etwas wissen will. Ich glaube, du bist hier ebenso fremd wie ich, und so bist du es der Gastfreundschaft schuldig, den Frieden des Lagers zu respektieren.“
„Das tue ich auch! Aber ich bin ein Anhänger des Propheten, und kein wahrhaft Gläubiger darf einen Betrunkenen im Lager dulden. Wer gegen das Gesetz des Propheten gesündigt hat, der muß das Lager verlassen, um außerhalb desselben seinen Rausch zu verschlafen und nachher die öffentliche Buße zu tun.“
„Weißt du denn so genau, daß dieser Mann nicht krank, sondern betrunken ist?“
„Wir werden uns sofort überzeugen. Er mag doch einmal die Sure der Ungläubigen beten! Dagegen kannst du nichts sagen. Das ist die Probe, zu der er gezwungen werden kann. Wer will ihn davon befreien?“
Diese Frage war an die Umstehenden gerichtet, an die der Tuareg sich mit triumphierender Miene wandte. Keiner von ihnen antwortete; denn wenn jemand verlangt, daß mit einem, der im Verdacht steht, betrunken zu sein, die Probe mit der Sure der Ungläubigen gemacht werden soll, so darf sich kein guter Muselmann dagegen erklären.
Die Sure der Ungläubigen ist die einhundertneunte des Korans. Sie heißt so, weil sie von den Ungläubigen handelt, und lautet folgendermaßen:
„Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Sprich: Oh, ihr Ungläubigen, ich verehre nicht das, was ihr verehrt, und ihr verehret nicht das, was ich verehre, und ich werde auch nie das verehren, was ihr verehret, und ihr werdet nie verehren das, was ich verehre. Ihr habt eure Religion, und ich habe die meinige!“
In der deutschen Übersetzung bereits bemerkt man, daß man sich bei dieser Sure sehr leicht versprechen kann. Im arabischen Urtext aber ist das noch viel schlimmer und gefährlicher.
Jetzt sollte diese Probe mit dem Diener gemacht werden. Die Ausrede, daß er sie gar nicht auswendig könne, gab es nicht, da sie erstens so kurz ist, daß sie sehr leicht gemerkt werden kann, und zweitens, weil sie von jedem Mohammedaner, eben dieser Probe wegen, auswendig gelernt wird.
Der arme Teufel mußte sich also in die Mitte des Kreises stellen, den die Männer um ihn schlossen.
„Nun, kannst du sie sagen?“ fragte der Tuareg.
„Ja“, nickte der Betrunkene, indem er von einem Bein hinüber auf das andere wankte.
„So sage sie! Hört darauf, ihr Männer! Ihr sollt die Sure der Ungläubigen vernehmen!“
Da trat eine tiefe Stille ein, und aller Augen richteten sich erwartungsvoll auf den Delinquenten. Diese Stille frappierte ihn. Er fuhr sich mit der Hand nach der Stirn, wankte einige Male hin und her, wischte sich die
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