49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
vorstellen, aber freilich ganz anders, als ich es vor kurzem vermutete.“
Schnell schritt er auf ihn zu.
„Good day, Mylord – Guten Tag, Lord!“ grüßte er.
Sofort blieb der Lord stehen. Er war ganz starr vor Erstaunen, sich von einer Türkin gegrüßt zu hören und noch dazu in seiner Muttersprache.
„Good day, Sir!“ wiederholte Wallert.
„Your servant! How do you do – Ihr Diener! Wie geht es Ihnen?“ entfuhr es da dem Lord, und er merkte gar nicht, wie dumm es eigentlich war, diese Worte auszusprechen.
„Ich danke“, murmelte Wallert mit Fistelstimme. „Sind Sie bereits lange von London fort?“
„Sehr lange. Wo haben Sie mich dort gesehen?“
„In der Paulskirche.“
„Bei welcher Gelegenheit?“
„Sie traten während des Orgelspiels die Blasebälge.“
Der gute Lord riß den Mund auf, so weit er konnte.
„Ich? – “
„Ja.“
„Sie irren. Sie scheinen mich für einen anderen zu halten.“
„O nein. Sie sind Lord Eaglenest.“
Das Erstaunen des Lords wuchs ins Ungeheuere.
„Der bin ich allerdings“, stammelte er, „aber die Blasebälge habe ich noch niemals in Bewegung gesetzt.“
„Nicht? Ich hätte geglaubt, es beschwören zu können.“
„Aber, Mylady, sind Sie etwa Engländerin?“
„Nein.“
„Was dann?“
„Ich bin eine Türkin und wollte Sie bitten, mich aus dem Harem zu entführen.“
In den Augen des Lords leuchtete es freudig auf.
„Verteufelt, verteufelt!“ rieb er sich vergnügt die Hände. „Sind Sie schön und jung?“
„Beides.“
„Bitte, zeigen Sie mir doch einmal Ihr Gesicht.“
„Nicht eher, als bis ich Sie den Meinigen nennen darf. Bei dem ersten Kuß sollen Sie sehen, daß sie gar keine Schönere entführen konnten.“
„Beim ersten Kuß? Verteufelt, verteufelt! Sind Sie verheiratet oder ledig? Soll ich Sie Ihrem Mann entführen oder Ihrem Vater?“
„Meinem Vater. Es hat mich noch kein Mann berührt. Sie sollen der erste sein, der mich umarmen darf.“
„Wirklich? Wie aber steht es mit der Entführung? Wo wohnen Sie denn, und wann soll ich kommen?“
„Das wird Ihnen Herr Normann sagen.“
„Normann? Sapperment! Meinen Sie etwa den Maler?“
„Allerdings.“
„Was? Sie kennen ihn?“
„Ich weiß, daß Sie miteinander eine Türkin entführen wollen; darum freue ich mich, daß ich Sie hier treffe. Sie können das Nötige gleich mit ihm besprechen. Ich warte auf Sie.“
Der Engländer wußte nicht, ob er wache oder träume. Da kam ihm die Entführung aus dem Serail ja geradezu entgegengelaufen! Ganz aufgeregt fragte er:
„Gleich mit ihm besprechen? Wo denn?“
„Da auf dem Friedhof, wo er sich befindet. Sie werden ihn bald sehen. Sagen Sie ihm, daß ich unten am Wasser, da, wo wir ausgestiegen sind, auf ihn warten werde. Wenn Sie ihn mitbringen, können wir zu dreien in dem Kaik überfahren.“
„Was? Überfahren? Ich auch mit?“
„Versteht sich.“
„Wohin denn?“
„In meine Wohnung.“
„Verteufelt, verteufelt! Geht das rasch! Und von dort sollen wir Sie entführen?“
„Wenn Sie die Güte haben wollen, ja.“
„Ob ich die Güte haben will! Na, da brauchen Sie gar nicht erst zu fragen. Aber, mein schönes Kind, dann wäre es ja viel klüger, Sie blieben gleich jetzt bei mir. Warum erst wieder in Ihre Wohnung und dann Sie entführen?“
„Nun, sonst wäre es ja keine Entführung!“
Der Engländer starrte Wallert betroffen an.
„Ah, ja!“ sagte er dann. „Daran habe ich gar nicht gedacht. Sie haben recht, vollständig recht. Ich will Sie ja entführen. Aber wenn wir beide dabei mitwirken, ich und der Maler, wer kriegt Sie dann? Er oder ich?“
„Sie wechseln ab. Eine Woche er und eine Woche Sie.“
„Verdammt!“ meinte der Karierte. „Das ist nun freilich nicht nach meinem Geschmack.“
„So machen Sie es sich schmackhafter, ganz wie Sie wollen. Sie können sich ja mit ihm besprechen.“
„Gut, das lasse ich mir eher gefallen! Also ich werde ihn jetzt auf dem Friedhof treffen, um ihm zu sagen, daß er dahin kommen soll, wo Sie ausgestiegen sind?“
„Ja, so ist es.“
„Und dann werden Sie mit uns beiden überfahren, um sich entführen zu lassen?“
„Sehr gern!“
Die kleinen Augen des Lords blitzten vor Freude durch die Gläser der mächtigen Hornbrille. Er blinzelte der Türkin vertraulich zu.
„Könnte man denn da nicht etwas auf Abschlag erhalten?“ fragte er zärtlich.
„Was denn?“
„Nun, eine Umarmung ungefähr.“
„Ah, Sie verlangen wirklich zu
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