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49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hörte!
    „Wie lange bist du bereits hier?“ fragte er daher in ziemlich kaltem Ton.
    „Über eine Stunde. Mein Herz sehnte sich nach dir. Fast befürchtete ich, daß du nicht kommen werdest.“
    „Oh, du konntest sicher darauf rechnen.“
    „Nicht alle Franken haben den Mut, sich einer solchen Gefahr auszusetzen. Du hast doch meinen Brief keiner anderen Person gezeigt?“
    „Keiner. Wer hat ihn geschrieben?“
    „Ich selbst.“
    „So verstehst du dich auf die Schrift der Franken?“
    „Gewiß, es wird uns jetzt vieles Fränkische gelehrt. Aber warum bist du nicht allein gekommen?“
    „Mein Freund begleitete mich, ohne zu wissen, was ich hier auf dem Friedhof – “
    Dann hielt er plötzlich inne, denn eben jetzt hatte Normann das verabredete Zeichen gegeben.
    „Was horchst du?“ fragte sie. „Ein Geier ließ sich hören. Was wolltest du sagen?“
    „Ich wollte sagen, daß wir uns in Gefahr befinden.“
    „O nein! Fürchtest du dich?“
    „Für mich kenne ich keine Furcht, wohl aber für dich.“
    „Ich habe keine.“
    „Aber du bist ja verloren, wenn man mich hier bei dir findet.“
    „Wer soll uns finden?“
    „Die Khawassen, die draußen unter den Bäumen standen.“
    „Hast du sie gesehen? Oh, die haben wir nicht zu fürchten.“
    „Doch! Ich muß dich schnell verlassen. Sehe ich dich wieder auf dem Bazar der Musselinhändler?“
    „Ja, aber nur, wenn du jetzt dableibst.“
    „Ich kann nicht. Mein Leben ist in Gefahr und das deinige auch. Lebe wohl!“
    Wallert hatte bis zu diesem Augenblick noch nicht ein einziges liebevolles Wort gesagt oder eine zärtliche Bewegung gemacht. Jetzt wollte er fort; sie aber hielt ihn mit der Hand unter fühlbarer Anstrengung ihrer Kräfte fest.
    „Wenn du mich liebhast, so bleibe!“ sagte sie in dringlichem Ton.
    Dann legte sie ihre Finger noch fester um sein Handgelenk und streckte auch die andere Hand unter dem Mantel hervor. Da brach ein verirrter, heller Sonnenstrahl durch den Efeu und fiel auf ein kleines, metallenes Pfeifchen, das sie in der Hand hielt. Jetzt erst beim Anblick dieses Gegenstandes wurde es Wallert klar, woran er war. Er durfte sie weder pfeifen noch rufen lassen. Sie hatte ihn hierhergelockt; er brauchte keine Rücksicht auf den Umstand zu nehmen, daß das weibliche Geschlecht das zartere genannt wird. So faßte er denn ihre Hand, die die Pfeife hielt, und rief wütend:
    „Verräterin! Das gelingt dir nicht!“
    Dann fuhr er ihr mit der anderen Hand unter den Gesichtsschleier und legte ihr die Finger um den Hals. Ein kräftiger Druck, ein Röcheln – sie verlor den Halt und sank auf den Boden nieder!
    „Ein so herrliches Geschöpf und doch eine so niederträchtige Verräterin!“ dachte er, aber kaum hatte er den Schleier entfernt, um wenigstens ihr Gesicht noch schnell zu sehen, da fuhr er betroffen zurück.
    „Alle Teufel! Eine Mannsperson!“
    Im höchsten Zorn schlug er dem Verkleideten die Faust an die Schläfe, daß er das Bewußtsein verlor.
    Dann blickte er sich um. Die Nachbarlaube war leer; die nächste auch. Rasch eilte er dorthin. In der vierten oder fünften Laube gab es ebenso dicke Efeugehänge wie in der ersten. Schleunigst steckte er sich dahinter. Man konnte hier ganz gut vorübergehen, ohne ihn zu bemerken.
    Hierauf nahm er den Riemen von der Schulter und schnallte den Frauenanzug los. Die weiten Pumphosen waren schnell angelegt und unten zugebunden. Darüber kam der Mantel, die turbanartige Kopfbedeckung und zuletzt der Schleier. Jetzt verließ er das Versteck, schritt durch die Nachbarlaube und trat aus dieser in das Freie hinaus.
    Hier, gar nicht weit von ihm, stand ein Polizist mitten auf dem Weg, doch mit dem Gesicht abgekehrt. Schnell huschte Wallert zwischen die Sträucher hinein, gelangte auf einen Seitenweg, der nach dem Hauptgang führte, erreichte diesen und schritt von da in aufrechter, würdevoller Haltung langsam dem Tor zu, wo der Wächter mit einem Polizisten stand. Aber keiner von beiden ließ es sich einfallen, die weibliche Gestalt aufzuhalten oder ihr auch nur ein fragendes Wort vorzulegen. Wallert gelangte also glücklich hinaus und wandte sich nunmehr schleunigst einem nahe liegenden Olivengarten zu, um unter dem Schutz von dessen Bäumen die Kleider wieder abzulegen.
    Er war aber noch nicht weit gekommen, so trat unter den erwähnten Bäumen die schwarz und grau karierte Gestalt des Lords hervor.
    „Wunderschön!“ lachte Wallert. „Da will ich mich gleich dem Herrn Cousin

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