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49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mich nicht sehen?“ fragte er sich. „Nein! Einmal muß ich mich doch sehen lassen, und da ist es besser, ich tue es gleich. Man kann mir nichts nachweisen, und ich brauche daher keine Angst zu haben. Also jetzt, nehmen wir eine Maske vor!“
    Damit entblößte er den Kopf und kniete an dem Grab nieder, bei dem er stand. Es lag ganz nahe am Rand des Weges, so daß er die Schritte des Polizisten wohl vernehmen konnte, jedoch er tat ganz unbefangen.
    Da blieb der Mann stehen. Er erkannte den, den er suchen sollte, und war ganz erstaunt, ihn, den Christen, hier am Grabe eines Mohammedaners beten zu sehen.
    „Was tust du hier?“ fragte er nach einer kleinen Weile.
    Normann wandte schnell den Kopf, als ob er erschrocken sei, und antwortete:
    „Siehst du das nicht?“
    „Ich glaube gar, du betest.“
    „Natürlich bete ich.“
    „Aber das darfst du nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Die Andacht eines Ungläubigen schändet die Ruhestätte des Gläubigen. Was hast du überhaupt hier auf dem Kirchhof zu suchen?“
    „Bist du vielleicht der Wächter desselben?“
    „Nein. Aber du siehst, daß ich Khawaß (Polizist) bin!“
    „Das sehe ich wohl; aber was habe ich damit zu schaffen? Gehe du deines Weges, und ich wandle den meinen!“
    „Das magst du tun, wenn es dir gelingt. Vorher aber werde ich dich zu dem Pascha bringen.“
    „Zu welchem Pascha?“
    „Du wirst es sehen. Komm!“
    „Soll das ein Befehl sein?“
    „Ja. Geh voran! Ich habe keine Zeit!“
    „Weißt du auch, was es heißt, einen Franken zum Gehorsam zu zwingen? Was habe ich getan, daß du wagst, mit mir wie mit einem Verbrecher zu sprechen?“
    „Der Pascha mag es dir sagen. Gehe jetzt!“
    Normann weigerte sich nun natürlich nicht länger, dem Gebot Folge zu leisten, und so wurde er zu der Bank geführt, auf der der Türke mit dem Spitzbubengesicht saß – jedenfalls der Pascha, von dem der Polizist gesprochen hatte. Ein wenig zur Seite stand der Knabe, der die Frauenumhüllung abgelegt hatte. Normann erkannte ihn sogleich wieder.
    Als der Pascha ihn erblickte, zogen sich seine Brauen finster zusammen.
    „Warum nur diesen?“ fuhr er den Polizisten an. „Wo ist denn der andere?“
    Der Gefragte kreuzte die Arme über der Brust, verneigte sich fast bis zur Erde und antwortete:
    „Dein unwürdigster Diener hat nur ihn gesehen und ihn festgenommen. Meine Kameraden werden auch den anderen sehen und ergreifen.“
    „So passe auf diesen auf, damit er uns nicht entkommt!“
    Sofort stellte sich der Polizist neben Normann, der jetzt mit den Worten vortrat:
    „Man hat mich gezwungen, hierherzugehen. Wer bist du, und wer gibt dir das Recht, mir Zwang anzutun?“
    „Schweig!“ fuhr ihn der Pascha an.
    „Ich werde nicht eher schweigen, als bis ich weiß, weshalb man sich an mir vergreift!“
    „Du weißt es, Hund, Verführer!“
    „Wie? Du schimpfst mich? Gut, ich gehe, damit du nicht wegen Beleidigung des Untertanen eines mächtigen Herrschers bestraft werdest.“
    Mit diesen Worten wandte sich Normann zum Gehen; aber der Polizist ergriff ihn am Arm, und der Pascha brüllte ihn an:
    „Wage es nicht, zu entfliehen! Wenn du noch einen Schritt tust, so lasse ich dich binden!“
    Normann wollte antworten, schwieg aber, als sein Auge auf einen Mann fiel, den er hier nicht erwartet hatte. Nämlich Lord Eaglenest kam in diesem Moment zum Tor herein und stolzierte, als er den Maler erblickte, in langen, eiligen Schritten, wie ein riesiger Storch, herbei.
    Wenden wir uns nun zu Wallert! Als dieser in die Laube getreten war, hatte das vermeintliche Mädchen in einer Ecke derselben gestanden. Dort hingen die Zweige des Efeus in so langen und reichen Festons hernieder, daß man sich vollständig hinter denselben verbergen konnte.
    „Komm hierher!“ flüsterte sie ihm zu. „Da kann man uns nicht entdecken.“
    Nur zu gern folgte er dieser Aufforderung und ließ sich von ihr unter die Zweige ziehen, wo ein trauliches Halbdunkel herrschte. Dann ergriff sie seine Hand, und er hielt ihre Finger fest und fühlte und erblickte den Brillantring, den er so wohl kannte. Sie war es also.
    Und doch überkam ihn ein gar eigentümliches Gefühl. Es war ihm gar nicht so, wie es einem in der Nähe der Geliebten sein soll.
    „Wie danke ich dir, daß du gekommen bist!“ flüsterte sie, indem sie sich an ihn schmiegte.
    Wozu dieses Flüstern? Warum sprach sie nicht lauter? Sie waren ja allein. Sie brauchte ja nicht gerade so laut zu sprechen, daß man es meilenweit

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