49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
so!“
„Pah! Ihre Gedanken sind leicht zu erraten. Sie wünschen zu wissen, wo er wohnt, um zu erfahren, wo sie zu finden ist. Aber dabei können Sie sich verrechnen. Sie wohnt nämlich gar nicht bei ihm.“
„O weh!“
„Gerade das Gegenteil von o weh. Da ich mich für Sie interessiere, so will ich Ihnen den Ort, wo sie sich aufhält, beschreiben. Kennen Sie vielleicht den Judenkirchhof jenseits des Stadtteiles Khalidschi Oghli?“
„Ja.“
„Es gibt da zwei Wasser, die sich vereinigen, um dann dem Hafen zuzufließen. Gerade in dem Winkel, der durch ihre Vereinigung gebildet wird, steht ein Haus, das mitten in einem Garten gelegen ist. Dort hält der Pascha den wertvollsten Teil seines Harems verborgen.“
„Und diese Zykyma auch?“
„Ja. Aber denken Sie beileibe an keinen Verkehr mit ihr oder gar an eine Entführung! Die Mauern des Gartens sind nämlich unübersteiglich und stoßen mit zwei Seiten an das Wasser. Außerdem hält der Pascha sehr streng Wache. Ich warne Sie!“
„Danke Ihnen verbindlichst. Aber, Herr Steinbach, woher wissen Sie denn das alles so genau?“
„Ich verdanke meine Kenntnisse nur dem Zufall.“
„O nicht doch! Ich glaube, Sie sind ein anderer, als Sie scheinen!“
„Denken Sie? Hm!“
„Wenn ich sehe, daß ein Pascha Ihnen gehorcht, so muß er doch wohl unter Ihnen stehen.“
„Dieser Schluß kann immerhin falsch sein.“
„Oho!“ meinte da der Lord. „Mich, einen Peer von Altengland, hat dieser Türkenhund behandelt wie eine Feldmaus. Sobald aber Sie kamen, gab er klein bei. Nein, nein, Sie sind kein Weichensteller oder Windmüllerlehrjunge, sondern etwas ganz anderes. Haben Sie übrigens nicht vorhin meinen Namen genannt?“
„Ja.“
„Woher kennen Sie mich denn?“
„Ich hatte das Vergnügen, Sie in London zu sehen.“
„Nicht möglich! Wo? Bei wem?“
Steinbach zuckte die Achseln.
„Vielleicht sprechen wir später einmal hiervon“, antwortete er lächelnd. „Jetzt aber muß ich mich verabschieden. Es dämmert stark, und in dieser Gegend bricht die Nacht schnell herein. Gute Nacht also, meine Herren. Grüßen Sie mir Herrn Wallert.“
Er wandte sich rasch ab und bog scharf um die nächste Friedhofsecke.
„Ein geheimnisvoller Mann!“ sagte der Maler.
„Werden das Geheimnis schon ergründen!“ entgegnete der Lord. „Also mich hat er auch gesehen! Sollte es vielleicht auch in der Paulskirche bei den Blasebälgen gewesen sein?“
„Wie kommen Sie auf diese Bälge?“ fragte Normann verwundert.
„Weil – ah, sapperment, Herr Normann, mir ist da vorhin etwas passiert, worüber Sie sich freuen werden.“
„Ich bin sehr gespannt auf Ihre Mitteilungen, doch sagen Sie mir zunächst, wie Sie hierher nach dem Kirchhof kommen, Mylord!“
„Nun, auf diesen meinen Beinen.“
„Pah, das kann ich mir auch ohne Ihre Antwort denken.“
„Nun, so hören Sie! Sie wissen bereits, daß ich eine Entführung beabsichtige. Da habe ich nun gehört, daß die türkischen Damen die Kirchhöfe gern besuchen, daß sie sogar dort ihre Gesellschaften und Klatschgevatterschaften feiern, und infolgedessen kam ich hierher, um mich nach einer umzusehen, die ich entführen könnte.“
„So, so! Ihre Mühe ist natürlich vergeblich gewesen?“
„Oho! Was denken Sie von mir!“
Der Lord hatte sich in Positur gestellt und eine Miene angenommen, wie sie etwa ein römischer Triumphator gehabt haben würde.
„Also doch etwas gefunden?“ fragte der Maler ungläubig.
„Allerdings.“
„Wo denn?“
„Dort, rechts, unter den Bäumen.“
„Ah, da hätte ich horchen mögen.“
„Nun, Verehrtester, dann hätten Sie Ihr blaues Wunder gehört. Wir sind nämlich einig.“
„Wir? Wer sind diese wir?“
„Na, wer denn anders als ich und sie!“
„Hopphopp!“ lachte der Maler, dem es nicht recht glaubhaft erscheinen wollte, daß der Lord hier eine weibliche Bekanntschaft gemacht habe.
„Zweifeln Sie etwa?“
„O nein! Aber haben Sie sie denn gesehen?“
„Herrgott! Ich werde sie doch sehen, wenn ich sie spreche und mit ihr verabrede, daß ich sie entführen soll.“
„Hm, hm! War sie hübsch?“
„Die reine Venus, sage ich Ihnen, obgleich ich ihr Gesicht nicht gesehen habe.“
„Nicht? Und doch wissen Sie, daß sie eine Venus ist?“
„Allerdings. Ich durfte ihr ja die Hand küssen.“
„Ah, dann sind Sie freilich sehr schnell avanciert. Wissen Sie auch ihren Namen?“
„Leider nicht.“
„Und ihre Wohnung?“
„Auch
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