5 1/2 Wochen
nur lästig wäre. Ich habe so einen dünnen „Röhrenschal“, der, komplett über den Kopf gezogen, als Rollkragen dient, wenn es kühl ist, als Stirnband und Ohrenschutz wenn es stürmt, oder eben auch - doppelt gemoppelt - als Mütze getragen werden kann. Den habe ich seit den Pyrenäen und dem Orkan auf dem Alto del Perdón mehr oder weniger im Rucksack verschimmeln lassen. Ich werde das „Anti- Schwitz-Programm“ bei nächster Gelegenheit ausprobieren.
Erheitert und gespannt auf die anstehenden Kilometer verlassen wir die Stadt und gehen dann wieder getrennt voneinander weiter. Anita ist mit ihren deutlich längeren Beinen viel schneller unterwegs als ich. Wir sind gespannt, ob wir uns heute Abend in Calzadilla de la Cueza treffen.
Die nächsten fünf Kilometer verlaufen über eine wenig befahrene Landstraße. Dann betrete ich die zwölf Kilometer lange „Via Trajana“. Sie war früher eine wichtige Römerstraße. Es ist ein breiter unbefestigter Weg. Das grobe rötlich-gelbe Schottergestein macht das Gehen wirklich mühsam. Jeder Schritt will wohl überlegt sein. Meine Schuhsohlen sind nicht dick genug. Ich spüre jeden Stein deutlich unter meinen Füßen. Und ich kann auch nicht ausweichen. Links und rechts am Wegesrand befindet sich hohes Gras, durch das gerne mal das eine oder andere Reptil läuft. Die Bekanntschaft mit einem Salamander habe ich soeben gemacht, als ich mich kurz auf dem Weg ausruhen wollte. Erstaunlich wie elastisch plötzlich mein Körper war, als dieses quirlige Etwas völlig unerwartet neben mir im Zick-Zack-Kurs aus dem Gras geschossen kam. Ich war einem Herzkasper nahe. Aber das Tierchen bestimmt auch, nachdem ich einen spitzen Schrei von mir gegeben habe.
Wenige sehr junge und somit klitzekleine Bäume stehen anfangs noch vereinzelt am Wegesrand. Schatten? Was ist das? Die Sonne ist unerbittlich. Es weht kein Lüftchen. Schon nach den ersten zwei, drei Kilometern wird mir klar, dass das kein Zuckerschlecken wird. Die Füße werden durch die Steine aufgeheizt. Bäumchen gibt es jetzt auch nicht mehr. Hoffentlich hält Ruddi das durch. Er wechselt ständig vom heißen, grobsteinigen Schotterweg, der für seine kleinen Pfötchen nun gar nicht geeignet ist, ins hohe Gras. Das ist zwar kühler, aber genauso hoch, wie er groß ist. Da macht das Laufen ihm anscheinend auch zu schaffen. Ich darf nicht zu schnell gehen. Ich muss unsere Kräfte einteilen. Diese alte Römerstraße ist schnurgerade. Bis zum Horizont sehe ich nichts als diesen Weg, die Steine und nichts als Felder, soweit das Auge reicht. Kein Anzeichen für Zivilisation. Nichts! Nun bin ich doch noch in der Wüste gelandet. Das erste Mal habe ich Angst, dass die Wasservorräte zur Neige gehen könnten und wir jämmerlich verdurstet am Wegesrand in der Sonne verbrennen. Ich ziehe mich an der Hoffnung hoch, dass der hiesige „Fremdenverkehrsverein“ vor kurzem vielleicht doch den einen oder anderen Rastplatz für Pilger errichtet hat.
Nach langer, langer Zeit erreicht mich ein Pilger aus Michigan. Wir gehen ungefähr zwei Kilometer zusammen. Ihm fliegt ein Käfer ins Ohr und will sich da häuslich niederlassen. Er gerät in Panik, haut sich immer wieder vor den Kopf, schüttelt denselben so fest, dass ich Angst habe, er könnte aus den Latschen kippen. Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel: „Bringt sofort diesen kleinen Käfer zur Vernunft und zeigt ihm den Weg aus dem Ohr meines Pilgerkollegen!“ Nach ein oder zwei Minuten ist der Spuk endlich vorbei und der junge Mann wieder „normal“. Ohne viel zu reden gehen wir nebeneinander her und genießen die Gesellschaft des anderen. Wir sind im Moment eben nicht alleine auf diesem Weg, der vielleicht in die Hölle führt. Als wir uns beide wieder ein bisschen gestärkt fühlen, verabschieden wir uns, denn unser Lauftempo passt nicht zusammen. Schnell wird der Abstand zwischen uns größer.
Ungefähr nach sieben oder acht Kilometern gibt Ruddi mir durch Hecheln und Jaulen zu verstehen, dass er nicht mehr weiter kann und will. Reptilien hin oder her, ich setze mich mitten auf den Weg in die pralle Sonne, nehme ihn auf den Schoß und lasse ihn in meinem Schatten liegen, während ich die heilende Reiki-Energie wirken lasse. Schätzungsweise zehn Minuten später setzen wir unseren Weg erstaunlich viel kräftiger als zuvor fort. Dieser Römerpfad ist zwar immer noch ganz gerade, aber jetzt ist die Landschaft ein bisschen hügelig. So keimt vor jeder kleinen Anhöhe die
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